Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kind ohne Rudel

Starkes Debüt: „Eine Geschichte der Wölfe“

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Die Mutter möchte, dass das Kind betet. Und so betet es vor dem Schlafenge­hen: „Lieber Gott, bitte mach, dass Mama, Papa, Tameka, Abe, Doctor, Jasper und Quiet und alle Tiere in allen Zoos sich nicht zu sehr langweilen und nicht zu einsam sind.“Das Mädchen Linda, das die US-Autorin Emily Fridlund in ihrem Debütroman „Die Geschichte der Wölfe“beschreibt, aber ist so einsam, wie man es nur sein kann. Mit Eltern, die letzten Übergeblie­benen einer Kommune, die mit dem Mädchen kaum reden, mit Klassenkam­eraden, die sie meiden. Geborgen fühlt sie sich am ehesten noch in den Wäldern, die das abseits gelegene

Haus am See umschließe­n. Dort findet sich Linda bestens zurecht, ansonsten ist sie ein um Orientieru­ng ringender Teenager, fühlt sich in ihrer Sehnsucht nach Gemeinscha­ft zu jedem hingezogen, der ihr ein wenig Aufmerksam­keit schenkt. Und sei es der Geschichts­lehrer mit pädophilen Neigungen. Dann zieht ein Paar mit Kind in die Nähe, Linda wird Babysitter. Dass es auch für diese Familie Gründe gibt, in die Abgeschied­enheit zu flüchten, erschließt sich ihr erst spät. Wie ein schweres Gewand liegt die Einsamkeit über diesem poetisch erzählten Roman, der nominiert war für den Man Booker Prize und in dem die junge Heldin die großen Fragen über menschlich­e Schuld und Verantwort­ung mit sich selbst verhandeln muss – im Wald auf Menschen trifft, die sich auf der Sinnsuche verirrt haben.

 ??  ?? Emily Fridlund: Eine Geschichte der Wölfe. Übs. Stephan Kleiner, Berlin Verlag, 384 S., 22 ¤
Emily Fridlund: Eine Geschichte der Wölfe. Übs. Stephan Kleiner, Berlin Verlag, 384 S., 22 ¤

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