Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Es gibt weniger Einbrüche: Ist das Thema erledigt?
Thema der Woche Kripo-Chef Gerhard Zintl warnt davor, sich auf den Erfolgen im Kampf gegen Einbrecher auszuruhen. Er glaubt, dass sich die Lage schnell wieder ändern könnte – und hat dringende Wünsche an die Politik
Augsburgs Kripo-Chef Gerhard Zintl hat davor gewarnt, sich auf den jüngsten Erfolgen im Kampf gegen Einbrecher auszuruhen. Denn er glaubt, dass sich die Lage schnell wieder ändern könnte – und hat deshalb dringende Wünsche an die Politik.
Augsburg Es geht vor allem um das das Gefühl. Nach einem Einbruch leiden viele Betroffene unter der Erkenntnis, in den eigenen vier Wänden nicht sicher zu sein. Doch immer wieder nimmt ein Fall auch kuriose Wendungen. So wie nach einem Einbruch im Raum Augsburg, bei dem ein Tablet-Computer gestohlen wurde. Die Täter fuhren mit der Beute zurück in die Heimat, nach Osteuropa. Sie fotografierten damit auch. Was die Täter nicht wussten: Die Fotos wurden in einem Datenspeicher im Internet abgelegt, auf den der Bestohlene weiter Zugriff hatte. Mit jedem Selfie – der modernen Form des Selbstporträts – schoss der Verdächtige damit von sich selbst ein Fahndungsbild.
Solch eindeutige Hinweise hinterlassen die Täter aber nur selten. In aller Regel finden die Ermittler am Tatort die Spuren des Aufbruchswerkzeugs oder Schuhspuren – und mit etwas Glück auch mal Fingerabdrücke, Stofffetzen oder menschliches Erbgut. Dann beginnt die zähe Ermittlungsarbeit. Und die besteht zu einem großen Teil daraus, Einbruchsserien zu erkennen. Wird dann ein Täter festgenommen, so kann man ihm, wenn es gut läuft, mitunter Dutzende von Fällen zuordnen. Denn die Erfahrung des Augsburger Kripo-Chefs Gerhard Zintl ist: „Fast alle Täter brechen immer wieder ein.“Bei den wenigsten ist es ein einmaliger Ausrutscher. Die Zahl der Einbrüche ist im vorigen Jahr erstmals seit längerer Zeit wieder gesunken. Ist das ein Grund, um Entwarnung zu geben? Gerhard Zintl ist überzeugt: Nein. ● Die Ursachen Ein großer Teil der Einbrüche bei uns hängt mit dem großen Wohlstandsgefälle in Europa zusammen. Das ergeben die Ermittlungen der Kripo immer wieder. Viele Täter reisen aus ärmeren Ländern in Osteuropa an, um im reicheren Deutschland in Häuser und Wohnungen einzusteigen. Die Auswertungen zeigen: Herkunftsland Nummer eins ist Rumänien, danach folgen Albanien und Georgien. Kripo-Chef Zintl sagt: „Diese Schere zwischen Arm und Reich gibt es ja weiterhin.“Er ist überzeugt: Sollte die Polizei jetzt ihren Einsatz in diesem Bereich zurückfahren, dann würden die Einbruchszahlen auch schnell wieder steigen. Die Ermitt- ler erfahren immer wieder, dass Bayern inzwischen in Täterkreisen keinen guten Ruf mehr hat. Täter, die sich besprechen, reden davon, um den Freistaat „lieber einen Bogen“zu machen.
● Die Ermittlungsarbeit Ende 2015 hat sich die Polizei neu aufgestellt bei der Einbruchsbekämpfung. Seither laufen bei einer eigenen Arbeitsgruppe der Kripo alle Fäden zusammen. Die Bilanz: Rund 1000 Fälle wurden untersucht. Die Beamten ermittelten 156 Täter. Gegen 90 Einbrecher wurden von der Justiz Gefängnisstrafen ohne Bewährung verhängt. 18 Täter sind noch auf der Flucht und werden aktuell per Haftbefehl gesucht. Einbruch ist zwar eine Männerdomäne, doch immer wieder erwischen die Ermittler auch Frauen. Seit es die Arbeitsgruppe gibt, ermittelten die Kripobeamten 17 Einbrecherinnen. Strafunmündige Kinder werden nur in Einzelfällen vorgeschickt oder mitgenommen. Fünf Kinder unter 14 Jahren stellten die Beamten im Zuge ihrer Ermittlungen fest. Die Arbeitsgruppe bleibt trotz der sinkenden Fallzahlen bestehen, verspricht der Kripo-Chef. Je nach Arbeitsanfall werden aber Beamte hinzu- oder auch abgezogen.
● Die Wünsche Die Politik hat das Gesetz verschärft, Einbruch gilt inzwischen als Verbrechen. Kritiker sagen, das sei nur Schaufensterpolitik und bewirke wenig bis nichts. Gerhard Zintl sieht das ganz anders: Dadurch, dass ein Einbruch nun als schwere Straftat eingestuft wird, haben die Ermittler mehr „Werkzeuge“zur Verfügung – etwa die Auswertung von Handy-Standortdaten. Allerdings: Fasst die Kripo einen mutmaßlichen Serientäter, dann ist es oft eine Frage des Glücks, ob seine Handydaten einen Bezug zu weiteren Tatorten ergeben oder nicht. Denn die Telefonanbieter sind aktuell nicht verpflichtet, die Daten aufzubewahren. Manche tun es, andere nicht. Eine Speicherzeit von nur drei Monaten würde schon viel helfen, meint Gerhard Zintl. Ein weiterer Wunsch des Ermittlers: Die Kripo sollte die Möglichkeit haben, das Telefon eines Tatverdächtigen in einem Einbruchsfall abzuhören. Bisher stimmt der Richter dem nur zu, wenn es konkrete Hinweise auf das Bestehen einer Einbrecher-Bande gibt. Bei Einzeltätern, die ebenfalls einen immensen Schaden anrichten können, sind den Ermittlern in Sachen Telefonüberwachung noch immer die Hände gebunden.