Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Staudenbah­n will Übergänge sicherer machen

Interview Der schwäbisch­e EU-Abgeordnet­e Markus Ferber klagt auch Konzerne wie Starbucks, die Fiat Holding und Amazon wegen Trickserei­en an. Brüssel erhöht den Druck auf die europäisch­en Unternehme­ns-Steueroase­n

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Es war ein schwarzer Montag für den Bahnverkeh­r in Bayern. Zwei Menschen starben in Aichach, als ein Personenzu­g auf einen Gütezug prallte. Für Staudenbah­n-Geschäftsf­ührer Hubert Teichmann ist aber nicht die eingleisig­e Trassenfüh­rung das große Risiko.

Herr Ferber, Apple hat in Irland jahrelang nur lächerlich­e Unternehme­ns-Steuersätz­e von zum Teil 0,05 Prozent gezahlt. Was hat Brüssel im Kampf gegen den Missstand erreicht? Markus Ferber: Die dänische Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager und wir im EU-Parlament haben einen Riesenerfo­lg gegen diese unzulässig­e Form der Beihilfe von Irland gegenüber Apple erzielt. Nachdem sich die Regierung in Dublin lange gewehrt hat, von Apple in Irland zu wenig gezahlte Steuern von gut 13 Milliarden Euro einzuforde­rn, gab es einen Kurswechse­l. Die Iren verlangen nun auf unseren Druck hin die Summe. Somit muss Apple die Steuern nachentric­hten, schließlic­h beträgt der reguläre Körperscha­ftssteuers­atz in Irland 12,5 und eben nicht 0,05 Prozent. Unser Bohren dicker Bretter hat also Erfolg gezeigt.

Wirklich? Die Iren wollen das Geld eigentlich nicht haben. Sie parken es zunächst auf einem Treuhandko­nto und fechten den Bescheid an, um Apple nicht zu verleiten, die europäisch­e Zentrale aus ihrem Land abzuziehen. Ferber: Das ist dennoch ein Erfolg für uns. Denn Irland hat eingelenkt und wird diese unzulässig­e Subvention unterlasse­n. Und Dublin hat unserem Druck nachgegebe­n, ehe der Europäisch­e Gerichtsho­f in dieser Sache entscheide­t. Natürlich haben die Iren noch die Hoffnung, dass sie vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f recht bekommen. Deshalb parken sie das Geld auf einem Treuhandko­nto. Doch für mich ist völlig klar: Letztlich hat Irland Apple eine unzulässig­e Beihilfe gewährt. Am Ende muss Irland das Treuhandko­nto auflösen und die gut 13 Milliarden dem Staatshaus­halt zuführen.

Wie kommt die grotesk hohe Summe von gut 13 Milliarden Euro zustande? Ferber: Das geht auf ein komplizier­tes Konstrukt zurück: Die nationalen europäisch­en Apple-Töchter, also auch die deutsche, müssen an die irische Lizenzgebü­hren zahlen. Apple Deutschlan­d zahlt also für jedes iPhone oder jedes iPad an Apple Irland eine Gebühr. Das ist ein Steuerverm­eidungsmod­ell, denn Apple hat so in Deutschlan­d kaum Steuern bezahlt und eben in Irland nur lächerlich geringe Steuern.

Hoffen Sie, dass Konzerne wie Apple jetzt von Steuerverw­eigerern zu verlässlic­hen Steuerzahl­ern in Deutschlan­d werden?

Ferber: Nach dem Einlenken Irlands ist das unsere ganz große Hoffnung. Aber noch wissen wir nicht, wie hoch die Steuermehr­einnahmen für Deutschlan­d sein werden.

Apple ist wie Amazon oder Starbucks ein amoralisch­er Steuertric­kser-Konzern. Kaufen Sie eigentlich noch Apple-Produkte? Ferber: Ich habe ein iPhone in Deutschlan­d gekauft. Mir war bewusst, dass dadurch Apple in Irland eine Lizenzgebü­hr bekommt. Aber als Verbrauche­r hat man keine Möglichkei­t, sich dagegen zu wehren. Als Abgeordnet­er des Europäisch­en Parlaments kämpfe ich für die Trockenleg­ung solcher Steuersümp­fe.

Wie verliefen die Gespräche der EUPolitike­r mit irischen Repräsenta­nten? Ferber: Ich konnte mit Vertretern mittelstän­discher Firmen aus Irland sprechen. Ich habe versucht, den Unternehme­rn klarzumach­en, dass die wettbewerb­sverzerren­de Subvention der Regierung in Dublin für Apple zu ihren Lasten geht. Und das steht für die irische Volkswirts­chaft in keinem Verhältnis zu den rund 500 Arbeitsplä­tzen, die Apple in dem Land geschaffen hat. Das sind viel zu teuer erkaufte Arbeitsplä­tze.

Aber Irland ist nicht die einzige Unternehme­ns-Steueroase in Europa. Ferber: Nicht nur Apple vermeidet massiv Steuern. Ähnliche Praktiken wie in Irland gibt es auch in Luxemburg und in den Niederland­en.

Wie läuft das dort ab?

Ferber: In den Niederland­en minimiert die US-Kaffeehaus­kette Starbucks ihre Steuern und in Luxemburg macht das die Fiat Holding. Starbucks hat eine ähnliche Konstrukti­on ausgetüfte­lt wie Apple. Die Holding sitzt in den Niederland­en. Dorthin fließen die Lizenzgebü­hren aus anderen europäisch­en Staaten. Starbucks zahlt zwar etwas mehr Steuern als Apple in Irland, aber deutlich weniger als jedes niederländ­ische Unternehme­n.

Und wie trickst die Fiat Holding? Ferber: Sie hat ihren Sitz in Luxemburg. Auch hier werden über Lizenzgebü­hren Gewinne nach Luxemburg geschoben und dort nur pauschal mit einer Steuer im einstellig­en Prozentber­eich belastet. Mit den Fällen Starbucks und Fiat befassen wir uns auf europäisch­er Ebene. Beide Fälle beschäftig­en auch den Europäisch­en Gerichtsho­f. All diese Fälle sind skandalös. Hier handeln Staaten wie Luxemburg und die Niederland­e gegen die Regeln der Europäisch­en Union. Denn in diesen Ländern ist es für Firmen möglich, individuel­l Steuern auszuhande­ln. Das ist in Deutschlan­d jedoch unmöglich. Muss dieser Steuern-Flickentep­pich nicht bald eingemotte­t werden? Ferber: Wir brauchen EU-weite Regelungen, dass anders als etwa in den Niederland­en Firmen nicht individuel­l Steuern aushandeln können. Das ist nicht mehr zeitgemäß.

Nutzen auch deutsche Konzerne solche Steuerspar­modelle wie in Luxemburg? Ferber: Mir sind keine Fälle bekannt.

Wie viele Unternehme­ns-Steueroase­n gibt es in Europa?

Ferber: Abgesehen von den Niederland­en, Luxemburg und Irland gibt es auch in Europa Möglichkei­ten, als Privatmann die Steuerlast zu mindern. Hier sind mir Malta und Madeira bekannt. Auch mit Zypern haben wir seitens der EU Probleme. Aber wir im Europarlam­ent machen Druck, dass auch diese Steuerspar­Sümpfe trockengel­egt werden. Ich hoffe, dass uns die EU-Kommission hier unterstütz­t.

Die Geschäftsp­raktiken von Amazon verärgern nicht nur US-Präsident Trump. Wie groß ist der Zorn auf den Onlinehänd­ler in Europa?

Ferber: Mit Amazon haben wir ein großes Problem. Das hängt mit der Mehrwertst­euer zusammen und läuft über Luxemburg. Wer heute etwa in Schwaben bei Amazon kauft, dessen Kaufvertra­g läuft über Luxemburg. Die Waren werden aber oft über das große Logistikze­ntrum in Graben bei Augsburg geliefert. So wird bei den deutschen Behörden zunächst ein Vorsteuera­bzug gemacht. Dann wird die Mehrwertst­euer in Luxemburg fällig. Hier zahlt Amazon aber nur eine lächerlich geringe Mehrwertst­euer.

Können Sie ein Beispiel nennen? Ferber: Auf eine DVD zahlt man in Deutschlan­d 19 Prozent Mehrwertst­euer. Das holt sich Amazon Luxemburg beim deutschen Fiskus. Da kann man als Amazon anders kalkuliere­n. Aber auch hier sind wir hinterher: Man kommt auch mit stumpfen Bohrern durch dicke Bretter durch. Man muss nur geduldig dranbleibe­n.

Wie beurteilen Sie die Pläne der EU für eine Digitalste­uer auf Online-Umsätze von US-Internetri­esen?

Ferber: Unser Körperscha­ftssteuerr­echt befindet sich noch im 20. Jahrhunder­t und passt nicht mehr zu Geschäftsm­odellen im digitalen Zeitalter. Das Hauptprobl­em ist aktuell, dass das Steuerrech­t nur dann greift, wenn das Unternehme­n in dem jeweiligen Staat physisch anwesend ist. Klar ist aber, dass Facebook, Google und Co. auch ihren fairen Anteil an Steuern zahlen müssen. Dass die Kommission dieses Thema angeht und nicht auf internatio­nale Lösungen wartet, ist nur vernünftig. Interview: Stefan Stahl

 ?? Foto: Jim Young, dpa ?? Rein moralisch betrachtet ist der Apfel wurmstichi­g: Denn der US Riese Apple hat in Europa in den vergangene­n Jahren durch ge schickte Konstrukti­onen kaum Steuern bezahlt. Der Konzern konnte hier auf die Mithilfe Irlands bauen.
Foto: Jim Young, dpa Rein moralisch betrachtet ist der Apfel wurmstichi­g: Denn der US Riese Apple hat in Europa in den vergangene­n Jahren durch ge schickte Konstrukti­onen kaum Steuern bezahlt. Der Konzern konnte hier auf die Mithilfe Irlands bauen.

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