Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Rechts außen kein Idyll
Tatort: Sonnenwende
Melania Trumps Tage sind ausgefüllt. Und das nicht nur damit, gut auszusehen. Ihre neueste strategische Beschäftigung: Donald, den Präsidenten der USA, auf Abstand halten. So jedenfalls sieht das die Neue Post. Das Blatt verrät für ihre interessierten Leserinnen die „Kniffe, mit denen Melania den Avancen ihres Mannes geschmeidig ausweichen kann“. Da ist der „riesige Hut mit breiter Krempe als Stoßdämpfer gegen seine Küsse“. Abstandshalter Nummer zwei: „Melania legt ihren Mantel über die Schulter, damit der Politiker ins Leere greift, wenn er ihre Hand fassen will.“Für die Neue
Post sind diese Tricks „die süße Rache einer gekränkten Frau“. Kniff 3 übrigens: Baron, der gemeinsame Sohn, geht als Puffer zwischen beiden ARD, 20.15 Uhr Innerhalb der „Tatort“-Reihe hat die Abteilung Schwarzwald alle Chancen, eine eigene Gattung aufzumachen. Da ziehen Nebelschwaden durch den dunklen Tann, pflegen Sonderlinge ihre Lebensentwürfe und brennen Schnaps aus dem „Ziebärtle“, einer Primitivpflaume. Dass man die SWR-Produktion „Sonnenwende“in Verbindung bringt mit „Goldbach“, dem ersten SchwarzwaldKrimi, hat mit Traditionen und fest verwurzelten Weltanschauungen zu tun – da führt ein kurzer Weg vom biologisch korrekten Bio-Bauern und Globalisierungsgegner hin zu Neonazis, dubiosen Heimatschützern und V-Männern. Rechts außen keine Idylle.
Dass mit der Familie des Bauern Volkmar Böttger einiges nicht stimmt, registriert der Zuschauer schon nach wenigen Bildern. Im Gegensatz zum Hauptkommissar Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner), der sich von der Landschaft und den einfachen Menschen einfangen lässt. Als die verliebte Tochter Sonnhild im Schulunterricht eine Stelle aus dem Nibelungenlied vorträgt, bricht sie zusammen und stirbt an den Folgen eines Diabetes Typ 1. Wie zuvor schon ein Neonazi. Bei der Trauerfeier für Sonnhild allerdings gehen „Frieda“, wie Friedemann genannt wird, die Augen auf. Böttger sieht sich als „Wehrbauer“in stetigem Kampf gegen die Umvolkung“, als „Schutzmacht für deutsches Blut und deutschen Boden“. O je. Wagner spielt seinen Ermittler Berg zwischen Pflicht und Liebe zur Heimat bravourös und überzeugend, während Kollegin Franziska „Franz“Tobler (Eva Löbau) den Bauern-Clan als „Hardcore-Ökos“abtut. Und der ihr Freund vorhält, sie wolle ja gar nicht schwanger werden (für einen „Running Gag“aber reicht das nicht). Gäbe es da nicht die Frage, warum sich die Gerichtsmedizinerin hinter dem Begriff „Staatswohl“und den dafür unter Umständen nötigen Opfern verschanzt, wäre aus dem „Tatort“ein Heimatfilm mit einem schreienden Großbauern geworden. Auf gute Schauspieler aber darf man sich, was üblich geworden ist, nicht immer rausreden. Rupert Huber