Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Manche Schüler schreiben 800 Nachrichten am Tag
Medien Ein Kriminalkommissar weist auf Gefahren für Kinder und Jugendliche im Internet hin und gibt Eltern Tipps
Dinkelscherben „Das Internet ist ein Misthaufen: 90 Prozent sind Schrott, es finden sich auch ein paar Perlen.“Mit diesem provozierenden Zitat von Prof. Joseph Weizenbaum begann Kriminalhauptkommissar Klaus Kratzer seinen äußerst engagierten Vortrag in der HelenKeller-Schule in Dinkelscherben. Er ging auf die Gefahren bei der Benutzung sozialer Netzwerke durch Jugendliche, aber auch auf das Problem Cybermobbing ein.
Zunächst nannte er einige Zahlen, die die rasante Entwicklung zeigen. Besaßen von den zwölf- bis 13-jährigen Jugendlichen 2012 nur 28 Prozent ein Smartphone, so waren es im Jahr 2016 bereits 94 Prozent. 2007 waren Kinder und Jugendliche 106 Minuten pro Tag online, 2017 waren es bereits 221 Minuten. Von einer 14-jährigen Schülerin ist bekannt, dass sie bis zu 856 Mitteilungen am Tag schreibt. Diese Zahlen gäben durchaus zu denken, meinte der Referent und erläuterte, dass ein Grund für dieses intensive Mitteilungsbedürfnis darin liegt, dass den Kindern oft „niemand mehr zuhört“und sie sich deshalb so ihre Ansprechpartner suchen.
Als natürliche Folge ergibt sich, dass die Jugendlichen einem enormen Druck ausgesetzt sind und sehr viel
Zeit investieren, weil sie die Menge an Nachrichten nicht nur verarbeiten, sondern auch beantworten müssen. Dafür kommen andere Dinge zu kurz. Daneben strömt auf die Jugendlichen durch die Neuen Medien eine Vielzahl an Informationen aller Art ein, denen sie ungeschützt ausgesetzt sind.
Da sie die damit verbundenen Gefahren nicht erkennen, müssten sie geschützt werden und bräuchten unbedingt die Familie als Begleiter, betonte Kratzer. So sollten mit dem Kind „handyfreie Zeiten“vereinbart oder ein „Medienvertrag“abgeschlossen werden. Leidenschaftlich richtete Klaus Kratzer den Appell an die anwesenden Eltern: „Weder ein Fernseher noch ein Smartphone gehören in ein Kinderzimmer.“Es sei bekannt, dass mit den neuen Medien Kommunikationen oft bis in die frühen Morgenstunden geführt werden. Ein zunehmendes Problem an allen Schularten stellt laut Klaus Kratzer das Cybermobbing dar. Darunter ist das Senden, Veröffentlichen oder Teilen negativer, schädlicher, falscher oder bösartiger Inhalte über eine andere Person zu verstehen. So fand die Kriminalpolizei in einem Klassenchat von Mädchen aus einer sechsten Jahrgangsstufe 130 Beleidigungen, teilweise mit strafbarem Inhalt. Die Täter seien sich nicht der Tragweite ihres Handels bewusst, wenn sie etwas ins Netz stellen – aber das Internet vergisst nichts. „Mobbing sitzt tief, es verfolgt einen überall, und in diesem Bereich ist die Suizidrate sehr hoch.“
Grund für das Mobbing sei neben fehlender Anerkennung auch die Angst, selbst zum Opfer zu werden. Um sich davor zu schützen, empfahl Kratzer den Eltern, ihren Kindern deutlich zu machen, dass sie auf gemeine Mitteilungen nicht reagieren, Eltern und Schule einbeziehen oder sich an die Polizei wenden sollten. Sehr wichtig sei auch, nie fragwürdige Bilder, Telefonnummer oder Adresse anzugeben und öfter das Kennwort zu wechseln.