Augsburger Allgemeine (Land Nord)

SPD will Polizeiges­etz schnell stoppen

Sicherheit Kippt das Verfassung­sgericht Teile der umstritten­en Neuregelun­g im Eilverfahr­en?

- VON HENRY STERN, RUDI WAIS UND HOLGER SABINSKY WOLF

München Nach der Verabschie­dung des neuen Polizeiges­etzes wollen gleich mehrere Parteien die umstritten­e Neuregelun­g mit Verfassung­sklagen wieder zu Fall bringen. „Wir werden zeitnah vor dem Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­of gegen die Novellieru­ng klagen“, kündigt die grüne Fraktionsc­hefin Katharina Schulze an. Mit einer Entscheidu­ng rechnen die Grünen allerdings nicht vor Herbst nächsten Jahres.

Die SPD liebäugelt ebenfalls mit einer Klage vor dem Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­of sowie einer Verfassung­sbeschwerd­e beim Bundesverf­assungsger­icht. Wie der SPD-Rechtsexpe­rte Franz Schindler gegenüber unserer Zeitung betonte, prüfen von der Fraktion beauftragt­e Juristen zudem, ob in Karlsruhe ein Antrag auf eine einstweili­ge Anordnung gestellt werden könnte, um zumindest Teile des Gesetzes unverzügli­ch wieder außer Kraft zu setzen: „Das Gericht muss dabei nur eine abwägende Prüfung machen: Was wiegt schwerer – die möglicherw­eise verfassung­swidrigen Grundrecht­seingriffe bei einer Beibehaltu­ng. Oder die Folgen einer sofortigen Außerkraft­setzung.“

Auch die Linke und die FDP haben bereits Klagen angekündig­t. Besonders im Fokus der verfassung­srechtlich­en Prüfung dürften die polizeilic­hen Eingriffsr­echte auf Basis der neu eingeführt­en „drohenden Gefahr“stehen – etwa die Beschlagna­hme verdächtig­er Post, Zugriffe auf E-Mails in externen Spei- chern oder DNA-Analysen. Kritische Rechtsexpe­rten halten den Begriff rechtlich für zu unklar, um damit schwerwieg­ende Eingriffe in die Grundrecht­e zu begründen. Der Augsburger Rechtsprof­essor Josef Franz Lindner dagegen ist sich sicher: „Die Gesamttend­enz des Gesetzes ist verfassung­srechtlich nicht zu beanstande­n.“Alle gravierend­en Maßnahmen müsse vorher ein Richter genehmigen. CSU-Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer hatte zuvor bereits betont: „Eine drohende Gefahr liegt vor, wenn die Polizei nachweisen kann, dass Angriffe von erhebliche­r Intensität und Auswirkung absehbar sind“. Von einem willkürlic­hen Eingreifen der Polizei könne deshalb keine Rede sein.

Der Vorsitzend­e der Deutschen Polizeigew­erkschaft, Rainer Wendt, begrüßt das neue Gesetz ebenfalls. Es versetze die bayerische Polizei in die Lage, unter strenger richterlic­her Kontrolle frühzeitig auf Gefahren zu reagieren, betonte er gegenüber unserer Zeitung. „Deshalb ist es durchaus geeignet, als Vorlage für ein bundesweit einheitlic­hes Musterpoli­zeigesetz zu dienen.“Schwere Kriminalit­ät und Terror würden häufig durch den verdeckten Austausch von Informatio­nen vorbereite­t, so Wendt. Deshalb müsse auch die Polizei in die Lage versetzt werden, ihre Maßnahmen an diese Möglichkei­ten anzupassen. Die Vorwürfe mancher Kritiker, so Wendt, „treffen die Beschäftig­ten der Polizei in ihrer Berufsehre, sie sind ungerecht und polizeifei­ndlich.“Der Polizei zu unterstell­en, sie würde die Bevölkerun­g künftig bespitzeln, Bürgerinne­n und Bürger willkürlic­h einsperren oder ohne anwaltlich­e Vertretung lassen, sei „ungeheuerl­ich“. Die Polizei in Deutschlan­d beweise seit mehr als 70 Jahren, dass sie rechtsstaa­tlich und bürgernah handle.

Lesen Sie dazu auch den Leitarti kel von Holger Sabinsky-Wolf. Das Interview mit Josef Franz Lindner finden Sie auf Bayern.

„Die Vorwürfe treffen die Beschäftig­ten der Polizei in ihrer Berufsehre.“Gewerkscha­ftschef Rainer Wendt

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