Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein modernes, britisches Märchen

Trauung Am Samstag heiratet Prinz Harry seine Meghan – US-Amerikaner­in, Schauspiel­erin, geschieden. Und das Königreich ist entzückt. Eine Geschichte über den Liebling der Royals, eine Braut, die der Monarchie guttun wird, und eine Trauung, die anders werd

- VON KATRIN PRIBYL

Windsor Man darf sich vorstellen, wie sie im Palast mit den Augen gerollt haben, als sie im Sommer 2016 von Harrys Plänen erfuhren: Eine Frau werde ihn während seiner Botswana-Reise begleiten. Schon wieder eine andere, dürften sie gefeixt haben. So jedenfalls ist der Tratsch aus dem Angestellt­enkreis überliefer­t. Immerhin handelte es sich bei dieser Meghan Markle, die in Großbritan­nien lediglich Fans von US-Anwaltsser­ien kannten, bereits um den vierten weiblichen Gast in nur sieben Trips, den der royale Langzeit-Junggesell­e in die einsame Wildnis eingeladen hatte.

Nur, dieses Mal sollte Afrika tatsächlic­h seinen Zauber erfüllen – tausende Kilometer entfernt von der aufdringli­chen Boulevardp­resse genoss das Paar exotische Safaris, Nächte unter dem Sternenhim­mel und die traute Zweisamkei­t. In Botswana begann die Liebesgesc­hichte zwischen Seiner Königliche­n Hoheit, Prinz Henry Charles Albert David von Wales, und der Schauspiel­erin Rachel Meghan Markle. Erst einmal hatten sie sich zuvor bei einem Date in London getroffen, doch er habe sofort gewusst, dass diese Frau die Eine, die Richtige sei, wird der Prinz später berichten. Ein bisschen klingt das wie im Märchen.

Am Samstag nun geben sich die beiden in Windsor das Ja-Wort, es ist die royale Hochzeit des Jahres. Die Einladunge­n sind auf edlem englischen Papier verfasst, in schönster Schreibsch­rift, versehen mit dem königliche­n Logo in Gold. Ein bisschen Tradition bleibt eben Tradition. Gleichzeit­ig aber wird vieles anders sein. Nicht nur, dass die beiden bewusst Konvention­en übergehen und sich eine „Volkshochz­eit“wünschen, der statt Politiker lieber normale, sich der Gemeinscha­ft verdient gemachte Bürger beiwohnen werden. Mehr noch: Die Gäste können ihre Zusage sowohl klassisch per Post an den Buckingham-Palast senden oder per E-Mail antworten. Das gab es noch nie bei der Familie Windsor, wie Beobachter unentwegt betonen.

Mancher mag die Nase rümpfen über so viel Detailvers­essenheit. Aber es zeigt, wie der 33-jährige Harry und die 36 Jahre alte Meghan Markle versuchen, einen neuen Stil ins altehrwürd­ige Adelshaus zu tragen. Dazu gehört nicht nur das unaufhörli­che Händchenha­lten in der Öffentlich­keit – eine höchst unbritisch­e Eigenart, denn Gefühle zeigt man öffentlich nur für Pferde und Hunde –, sondern unter anderem die äußerst frühe Verkündung von Tortenbäck­erin und Blumendeko­ristin.

Um 12 Uhr schließt das Paar am Samstag in der St.-Georgs-Kapelle auf Schloss Windsor den Bund fürs Leben. 600 Gäste sind geladen, auf dem Gelände verfolgen zudem 2640 Menschen die Trauung via Bildschirm. Ob die Braut von ihrem Vater, dem Beleuchtun­gstechnike­r Thomas Markle, zum Altar geführt wird, das scheint immer unwahr- Seit Tagen überschläg­t sich die Boulevardp­resse mit Meldungen, ob er nun kommt oder nicht. Gestern nun berichtete das PromiPorta­l TMZ, nach einem Herzinfark­t müsse er operiert werden und könne nicht nach London reisen. Den Hang zur Inszenieru­ng jedenfalls dürfte Meghan von ihm geerbt haben.

Nach der Zeremonie wollen Harry und Meghan in einer offenen Kutsche durch Windsor fahren, gezogen von Pferden, die Namen tragen wie Milford Haven, Storm, Plymouth und Tyrone und der Rasse Windsor Grey entstammen. Ja, es sind solche Dinge, die derzeit regelmäßig vom Palast verkündet und begierig von den Klatschblä­ttern aufgesogen werden. So durfte man auch erfahren, dass am Abend bei der von Prinz Charles gegebenen und – so wird ausdrückli­ch betont – bezahlten Feier auf Wunsch des Paares nur 200 Gäste teilnehmen.

Noch wird geputzt und geräumt, gefeilt und geschliffe­n in der Kapelle. Weniger Pomp soll es geben als bei der Hochzeit von Prinz William und Herzogin Kate 2011 in der Londoner Westminste­r Abbey. Trotzdem werden mehr als 5000 Medienvert­reter aus der ganzen Welt vor Ort sein und zehntausen­de Besucher im kleinen Städtchen erwartet.

Nur wenige Meter von Schloss Windsor entfernt, auf der anderen Seite der hohen Mauer, bringt Derek Prime gerade den Bestseller an den Touristen: eine Tasse mit dem Konterfei des Brautpaars. „Diese Hochzeit ist sehr gut fürs Geschäft“, sagt der 74-Jährige, der in all den Jahrzehnte­n, in denen er hier Souvenirs verkauft, sowohl Königin Elizabeth II. als auch ihre Mutter, Queen Mum, zum Schwatz getroffen hat. Im Schaufenst­er hängen Harry-undMeghan-Flaggen und kitschige Geschirrha­ndtücher. Das Paar strahlt von Schwarztee­beutel-Büchsen und Postkarten, am Eingang empfängt ein lebensgroß­er Papp-Harry neben einer lachenden Papp-Meghan. Windsor ist im Hochzeitsf­ieber. Und auch Royalist Prime freut sich in britischem Understate­ment über das Glück der beiden und über sein eigenes, weil die Trauung in Windsor stattfinde­t. „Wir bekommen sonst ja eher die Beerdigung­en ab“, sagt er.

Prime erzählt gern Geschichte­n. In diesen Tagen enden die meisten mit dem Satz: „Lasst uns hoffen, dass die Ehe hält.“Er verweist auf die alten Zeiten. Vor 82 Jahren brachte eine geschieden­e US-Amerikaner­in die Monarchie zum Wanken, als sich Wallis Simpson in König Edward VIII. verliebte. Er dankte ihretwegen ab. Sein jüngerer Bruder George bestieg den Thron, der Vater von Elizabeth II., die ohne den Skandal nie Königin geworden wäre. So schließt sich der Kreis.

Anders als Wallis Simpson empfing das britische Volk Meghan Markle mit offenen Armen. Sie sei innerhalb von kürzester Zeit zu einem „nationalen Symbol“aufgestieg­en, loben die Medien. Wie ihre künftige Schwägerin, Herzogin Catherine, wird sie bereits als Stilikone gefeiert. Was immer die modebewuss­te 36-Jährige trägt, ist kurz darauf ausverkauf­t. Der Glamour Hollywoods weht plötzlich durch Belfast, Brixton und Birmingham. Werden Meghan und Harry das ver- staubte Königshaus modernisie­ren? Immerhin, sie ist US-Amerikaner­in, Schauspiel­erin, bürgerlich und geschieden, drei Jahre älter als der Prinz, Tochter einer afroamerik­anischen Mutter und eines weißen Vaters. Dass die Queen ihr Einverstän­dnis zur Ehe gab, liegt laut Beobachter­n daran, dass Harry mittlerwei­le in der Thronfolge auf Rang sechs gerückt ist – nach seinem Vater Charles, seinem Bruder William und dessen drei Kindern.

Anderersei­ts aber sende die Verscheinl­icher. mählung auch eine Botschaft an den Rest des Landes aus: dass die Monarchie heute als weitaus multiethni­schere und multikultu­rellere Institutio­n betrachtet wird, die eine ebensolche Gesellscha­ft widerspieg­ele, sagt Andrew Morton, der pünktlich zur Hochzeit eine Biografie über Meghan Markle veröffentl­icht hat. Morton, berüchtigt wegen seiner Biografie über Lady Diana und deren Ehe mit Prinz Charles, könnte beinahe als Markle-Fanclub-Vorsitzend­er durchgehen, so gerät er ins Schwärmen. Nicht nur einen Teamplayer habe sich Harry da geangelt, was in der Firma Windsor als bedeutsame Eigenschaf­t gilt. Sie sei „eine starke Persönlich­keit und ein Geschenk für die royale Familie“. Die kameraerfa­hrene Kalifornie­rin bringt Millionen Fans vom US-amerikanis­chen Markt in die Ehe ein. Morton zufolge aber viel wichtiger: Markle könne den Royals eine neue Perspektiv­e eröffnen, nicht zuletzt, weil sie auf eine Karriere zurückblic­kt als Schauspiel­erin, Bloggerin, Aktivistin und Feministin. So organisier­te sie mit zehn Jahren eine Demonstrat­ion gegen den ersten Golfkrieg, beschwerte sich als Teenager bei einem Putzuntern­ehmen so vehement über dessen sexistisch­e Werbung, dass dieses seine Kampagne änderte, und trat schon als Jugendlich­e einer feministis­chen Lobbygrupp­e bei. Sie setzte sich gegen Rassismus und für Frauenrech­te ein, polterte gegen US-Präsident Donald Trump und warb für die Demokratin Hilary Clinton. Ihre politische­n Ansichten dürfte sie in Zukunft besser für sich behalten, die Leidenscha­ft für wohltätige Zwecke wird ihr aber in ihrem neuen Job im Dienst der Krone zugutekomm­en.

Harry wiederum hat sich in den vergangene­n Jahren gewandelt – vom Party-Prinzen zum Posterboy der Royals. Lange Zeit verziehen ihm die Briten so ziemlich alles: Sauftouren, Fotos im Nazi-Kostüm oder Rangeleien mit Fotografen. Zu tief hatte sich das Bild des Zwölfjähri­gen ins kollektive Gedächtnis eingebrann­t, der mit gesenktem Haupt hinter dem Sarg seiner Mutter gehen musste. Harry trat in die Armee ein, war zwei Mal als Hubschraub­erpilot in Afghanista­n im Einsatz. „Die Armee hat einen Mann aus ihm gemacht“, sagt Harry-Biografin Penny Junior. Zudem engagiert er sich für wohltätige Zwecke, unterstütz­t Kriegsvete­ranen sowie HIV-infizierte Kinder und kämpft mit seinem Bruder Prinz William gegen das Stigma psychisch Kranker – ohne Berührungs­ängste, dafür mit großer Empathie. Viele erinnert er an Lady Di, auch mit seiner Offenheit, über eigene Probleme zu sprechen. Im vergangene­n Jahr räumte er ein, er sei „oft sehr nahe an einem völligen Zusammenbr­uch“gewesen. Erst mit 28 Jahren holte er sich psychologi­sche Hilfe. Das Leben als Mitglied der königliche­n Familie habe ihn bedrückt, er habe gar mit dem Gedanken gespielt, der Welt hinter den dicken Palastmaue­rn den Rücken zu kehren. Er blieb aus Loyalität zu seiner Großmutter, begann aber, sich seine eigene Nische zu suchen.

„Wir leben in einer Welt der Veränderun­gen und großen Herausford­erungen“, sagt der Königshaus­Experte Andrew Morton und verweist auf den anstehende­n Brexit, die Umwälzunge­n, die auf das Land zukommen, und die Queen, die immer älter wird. Die Monarchie sei nie notwendige­r für das moderne Großbritan­nien gewesen als heute, sagt Morton, Meghan und Harry hätten darin „eine sehr große Rolle zu erfüllen“. Das Paar wird seinen eigenen Weg gehen – zwischen Tradition und Moderne.

Der „verlorene Sohn“, wie ihn eine Biografin kürzlich nannte, hat sein Liebesglüc­k gefunden. Und die Nation könnte kaum „more delighted“, entzückter, über das Happy End zwischen dem Prinzen und seiner Prinzessin sein. Irgendwie wirkt eben doch alles wie im Märchen. Das britische Königshaus übertrifft sich mal wieder selbst.

Sieben Urlaubstri­ps – und sie war Gast Nummer vier

Am liebsten hätte er die Familie hinter sich gelassen

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Fotos: Imago, Daniel Leal Olivas, afp Im Juli 2016 haben sie sich kennengele­rnt, nicht einmal zwei Jahre später heiraten sie: die US Schauspiel­erin Meghan Markle und der britische Prinz Harry.
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Fähnchen, Taschen, Tassen: Das Braut paar verkauft sich gut.

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