Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Aktionäre kritisieren Aufsichtsrat
Finanzen Die Deutsche Börse hat ein turbulentes Geschäftsjahr hinter sich. Der Chefkontrolleur ist umstritten – und wird dennoch wiedergewählt
Frankfurt am Main Nach dem Krisenjahr 2017 bahnt sich bei der Deutschen Börse auch an der Aufsichtsratsspitze ein Neuanfang an. Der in die Kritik geratene Chefkontrolleur Joachim Faber bekam auf der Hauptversammlung am Mittwoch zwar mehr als 95 Prozent Zustimmung der Aktionäre für seine dritte dreijährige Amtszeit. Der 68-Jährige kündigte jedoch an, er behalte sich vor, „einen Übergang im Vorsitz des Aufsichtsrates im Laufe der neuen Wahlperiode vorzubereiten“. Einen Zeitpunkt dafür gebe es aber noch nicht.
Das Jahr 2017 war unter anderem deshalb turbulent, weil der geplante Zusammenschluss mit der Londoner Börse LSE scheiterte. Ein Grund dafür soll gewesen sein, dass die Deutsche Börse keinen Plan B für den Fall des Brexits habe. Zudem brachte der Aufsichtsrat unter Fabers Vorsitz ein für den inzwischen zurückgetretenen Konzernchef Carsten Kengeter maßgeschneidertes Vergütungsprogramm auf den Weg, das bis heute die Staatsanwaltschaft Frankfurt beschäftigt. Kengeter hatte Mitte Dezember 2015 für 4,5 Millionen Euro 60 000 Deutsche-Börse-Aktien gekauft. Der Konzern packte 69000 Aktien drauf. Gut zwei Monate nach dem Deal machten Deutsche Börse und London Stock Exchange (LSE) ihre Fusionspläne öffentlich, was die Kurse trieb. Die Ermittler werfen Kengeter vor, schon im Sommer 2015 mit der LSE-Führung Gespräche über eine Fusion geführt und das lukrative Aktiengeschäft in diesem Wissen getätigt zu haben. Wegen des anhaltenden Drucks trat Kengeter Ende 2017 zurück.
Das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Insiderhandel sei „schlicht und einfach ein Skandal“, schimpfte Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment hielt dem Aufsichtsrat zugute, dass es „im Chaos des vergangenen Jahres noch gelungen ist, einen überzeugenden Nachfolger für Herrn Kengeter zu finden“.
Seit Januar führt der langjährige HVB-Chef Theodor Weimer die Deutsche Börse – und sorgte für Aufbruchstimmung: Drei neue Vorstände ziehen bald in die Führungsetage ein. Auch erste strategische Entscheidungen sind gefallen: Die jährlichen Fixkosten sollen bis Ende 2020 um rund 100 Millionen Euro sinken. „Wir machen auch vor der Management-Ebene nicht Halt. Wir werden dort bis zu 50 Stellen abbauen, um die Organisation effizienter und agiler zu machen“, sagte Weimer. Wachstumschancen für die Deutsche Börse sieht er in allen Geschäftsbereichen – „von den Marktdaten über den Handel bis hin zu unseren Dienstleistungen für Investmentfonds“. Ergänzend stünden Zukäufe auf dem Programm.