Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der ungezogene Junge schlägt wieder zu

Deadpool 2 Er flucht, reißt schlechte Witze und richtet jede Menge Blutbäder an. Unter den Marvel-Superhelde­n fällt der Kämpfer im Lederdress aus der Rolle. Trotzdem taugt er für einen erfrischen­d witzigen, knalligen Actionfilm

- VON MARTIN SCHWICKERT

Im weitgefäch­erten Arsenal der Marvel-Helden spielt Deadpool die Rolle des ungezogene­n Jungen, der keine Tischmanie­ren hat und alles tut, um die Gäste zu vergraulen: Fluchen, schlechte Witze und jede Menge Blutbäder. Ryan Reynolds hat als schwarzes Schaf unter den Superheroe­n vor zwei Jahren mit einem überrasche­nden Einspieler­gebnis von 783 Millionen Dollar die Kassen klingeln lassen. Dabei war „Deadpool“im Vergleich zu Produktion­en wie „Iron Man“, „X-Men“oder „Avengers“mit Investitio­nskosten von 58 Millionen Dollar fast schon ein Low-BudgetUnte­rnehmen.

Aber offensicht­lich bediente der nach einer misslungen­en Krebsbehan­dlung gründlich verunstalt­ete Haudegen mit dem losen Mundwerk ein gewisses anarchisti­sches Grundbedür­fnis unter den MarvelFans, die die sarkastisc­he Selbstiro- des unmoralisc­hen Helden zu schätzen wussten. „Ob Sie es glauben oder nicht: Deadpool 2 ist ein Familienfi­lm“, behauptet der Protagonis­t aus dem Off zu Beginn der Fortsetzun­g. Zu dem Zeitpunkt hat Deadpool (Ryan Reynolds) mit seinen beiden Samurai-Schwertern schon eine Heerschar chinesisch­er Mafiosi niedergeme­tzelt. Abgetrennt­e Köpfe und Gliedmaßen sind durch die Luft geflogen, während die Blutfontän­en malerisch aus den Restkörper­n sprudelten.

Nach getaner Arbeit wartet zu Hause schon die schöne Freundin Vanessa (Morena Baccarin) mit klar formuliert­em Kinderwuns­ch, aber bevor es an die Familiengr­ündung gehen kann, dringt der asiatische Oberbösewi­cht ins Apartment ein. Der Superheld kann nicht verhindern, dass eine Kugel die Geliebte tödlich trifft. Vom Verlust schwer traumatisi­ert verfällt Deadpool in Selbstmitl­eid und Pes- simismus. Erst als es darum geht, den jungen, pyromanisc­hen Mutanten Russell (Julian Dennison) zu retten, läuft der kriselnde Superheld wieder zu neuer Form auf.

Aber aus der Zukunft ist in bester Terminator-Manier ein Mann namens Cable (Josh Brolin) angereist, der den jungen Feuerteufe­l umbringen will. Der knallharte Kämpfer weiß, dass Russell in ein paar Jahren zu einem veritablen Bösewicht heranreife­n und für den Tod von Cables Familie verantwort­lich sein wird. Deadpool versucht, mit einer illustren „X-Force“aus Menschen und X-Men-Mutanten die Zukunft und den Jungen gleicherma­ßen zu retten. Bis auf Superheldi­n Domino (Zazie Beetz) versagen sie alle schon beim ersten Coup.

Dem Sequel merkt man deutlich an, dass die „Deadpool“-Macher von ihrem eigenen Erfolg überrascht wurden und das Projekt nicht unbedingt als Fortsetzun­gsunternie nehmen geplant war. Etwas konzeptlos wird hier mit einer eher kryptische­n Story einfach weiter geballert und gewitzelt. Lastwagenw­eise werden Insider-Scherze aus dem Marvel-Universum angefahren, was auf Dauer genauso ermüdend wirkt wie der sarkastisc­he Kommentar, zu dem der straucheln­de Superheld aus dem Off immer wieder ausholt.

Immerhin verleiht Josh Brolin als Arnold-Schwarzene­gger-Wiedergäng­er dem Unternehme­n punktuell zu unverhofft­er Klasse und Zazie Beetz als Mutantin Domino, deren Superkraft einfach nur „Glück“ist, bringt ein wenig frischen Wind ins Wilde-Kerle-Spektakel.

Der Schluss legt die Vermutung nahe, dass sich Deadpool in Zukunft auf der Leinwand innerhalb des X-Men-Kollektivs vergnügen wird. Das wäre eine kluge Entscheidu­ng, denn dieses Sequel zeigt deutlich, dass die Figur einfach zu wenig für eine Trilogie hergibt.

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Foto: 20th Century Fox Im Lederdress mit Gesichtsma­ske geht Wade Wilson (Ryan Reynolds) alias Superheld Deadpool an die Arbeit.
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