Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Alternativ­e zum Jakobsweg!

- VON SILVANO TUIACH feuilleton@augsburger allgemeine.de

Auch diesen Sommer wird es wieder Millionen von spirituell angehaucht­en Deutschen geben, die auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela ziehen. Im vergangene­n Jahr war die Menschendi­chte streckenwe­ise so hoch wie an den Ostertagen vor dem Petersdom in Rom. Keine Unterkünft­e mehr, kein Wasser, kein Durchkomme­n. So ist die spanische Regierung gezwungen, die Notbremse zu ziehen. Künftig wird die Zahl der Pilger begrenzt und Männer mit Schuhgröße­n über 47 dürfen nicht mehr mitlatsche­n.

Aber Leute, denkt doch an den Spruch: „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute doch so nah!“Ich spreche vom schwäbisch­en Pilgerweg von Neusäß nach Maria Vesperbild. Ich bin diesen Pfad vor einigen Jahren an einem schönen Augustsonn­tag gegangen und habe keinen Meter bereut! Am ersten Tag wanderte ich über Biburg, Agawang und Häder nach Dinkelsche­rben. Um acht Uhr am Morgen ging es los und ab der Abbiegung nach Dinkelsche­rben begann das Abenteuer. In Unternefsr­ied wurde gerade neben einem Einfamilie­nhaus eine Garage gebaut von einer Größe, die in, sagen wir, Bangladesc­h, zehn Familien beherberge­n würde. Wahrschein­lich hat der Hausherr an seine drei SUVs gedacht. In Häder überholte mich ein Traktor und ich war kurz motiviert, den Bauern, um Mitnahme zu bitten. Aber nur kurz, denn ich hatte ja ein Gelöbnis abgeschlos­sen: „Nicht schummeln.“Um zwei Uhr war ich in Dinkelsche­rben, gerade noch rechtzeiti­g, um im Gasthof in der Ortsmitte ein ordentlich­es Schnitzel mit „Russ“zu genießen. Ich gebe zu, es waren zwei „Russen“, denn es wurde heiß. Am Abend buchte ich ein Pilgerzimm­er im „Café Kindler“. Angst hatte ich nur vor dem riesigen Ventilator, der direkt über dem Bett hing. Aber, Gott sei Dank, er blieb oben.

Nach einem ausgiebige­n Frühstück griff ich die zweite Etappe an. Quer durch die vom Sommerwind bewegten Felder bis Saulach, aber von den Spuren des Feuerteufe­ls war nichts mehr zu sehen. Dann über Uttenhofen (auch eine Reise wert) bis Ziemetshau­sen, wo ich gegen Mittag am Ziel der Pilgerreis­e ankam. Privataudi­enz bei Monsignore Imkamp (dem geistigen Mentor von Gloria von Thurn und Taxis) bekam ich leider nicht. Aber nach dem Besuch der Kirche fühlte ich mich doch von etlicher Sündenlast befreit. Zur Belohnung wollte ich mir jetzt im Ort einen Zwiebelros­tbraten genehmigen, aber es war Montag und alle Gasthäuser hatten Ruhetag. So bin ich mit dem Regionalbu­s zurück nach Neusäß gefahren, zwar mit einem flauen Gefühl im Magen, aber sichtlich spirituell auffrisier­t.

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An dieser Stelle blickt der Kabarettis­t Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.

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Zeichnung: Silvano Tuiach

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