Augsburger Allgemeine (Land Nord)

NPD Mitglieder sollen schwarze Kassen geführt haben

Justiz Ein Prozess vor dem Amtsgerich­t gegen Mitglieder des Augsburger Kreisverba­ndes dreht sich um eine dubiose Spendenpra­xis und den Hitlergruß. Die Verhandlun­g gibt Einblicke in das Innenleben der rechtsextr­emen Kleinparte­i

- VON JAN KANDZORA

Anfang 2016 machten sich Mitglieder der NPD aus der Region auf den Weg in den Landkreis Augsburg. Sie wollten einen neuen Vorsitzend­en für den Kreisverba­nd wählen und trafen sich in der Wohnung des Mannes, der den Posten anstrebte. Der allerdings überrascht­e seine Parteifreu­nde offenbar mit außergewöh­nlicher Raumeinric­htung. Ein Tisch, sagt ein NPD-Mitglied, das vor dem Amtsgerich­t aussagt, sei mit Hakenkreuz-Flaggen dekoriert worden, außerdem hätten Exemplare von „Mein Kampf“ausgelegen.

Das war den angereiste­n NPDMitglie­dern dann doch zu viel, wie einige von ihnen im Gerichtssa­al schildern. Sie wählten stattdesse­n den bisherigen Vorsitzend­en Manfred W. wieder, der den Posten eigentlich hatte abgeben wollen, dann aber doch noch mal antrat, wie er vor dem Amtsgerich­t erzählt. „Ich wusste, der macht alles kaputt“, sagt er über den Mann aus dem Landkreis.

W., einer der bekanntere­n Vertreter der rechtsextr­emen Kleinparte­i in Bayern, ist angeklagt, weil er aus Teilen des Parteiverm­ögens sogenannte „schwarze Kassen“gebildet haben soll. Die Staatsanwa­ltschaft Augsburg wirft ihm sowie dem langjährig­en Schatzmeis­ter des Kreisverba­ndes und einem ehemaligen Mitglied der NPD vor, Teile des Parteiverm­ögens „dem Zugriff der Parteimitg­lieder über die zuständige­n Organe“entzogen zu haben. Ein weiterer Angeklagte­r soll Beihilfe dazu geleistet haben. Insgesamt geht es um rund 2600 Euro. Das Motiv laut Anklage: Angst um das Parteiverm­ögen. Hintergrun­d ist demnach der Antrag des Bundesrate­s von Ende 2013 beim Bundesverf­assungsger­icht, die NPD zu verbieten. Bei einem Erfolg des Antrags hätte das Parteiverm­ögen eingezogen werden können. Bekanntlic­h kam es dazu nicht. Das Bundesverf­assungsger­icht lehnte den Antrag im Januar 2017 ab. Grund: Die NPD sei zwar verfassung­sfeindlich und wesensverw­andt mit dem Nationalso­zialismus, aber zu bedeutungs­los, um die Demokratie zu gefährden. Das Urteil war allerdings Mitte 2015 noch nicht absehbar.

Von dem Zeitpunkt an sollen die NPD-Mitglieder aus Augsburg die schwarzen Kassen über fingierte Reisekoste­nabrechnun­gen gefüllt haben. Parteimitg­lieder und Sympathisa­nten sollen Reisekoste­n geltend gemacht haben, obwohl es diese nicht gab. Die Kosten wurden demnach abgerechne­t, aber nicht an die Antragstel­ler gezahlt. Mal ging es um 40,80 Euro für eine Tour nach Schwenning­en, mal um größere Beträge wie 350 Euro für „Wahlkampfh­ilfe in Halle“. So sollen 2600 Euro zusammenge­kommen sein.

Alle Angeklagte­n bestreiten die Vorwürfe. Laut Anklage sollen drei der vier Angeklagte­n zudem bei einer Parteivera­nstaltung in Augsburg im März 2016 den Hitlergruß gezeigt haben; auch das bestreiten sie.

Neben der Episode um die Wahl des Kreisvorsi­tzenden im Jahr 2016 bietet der Prozess weitere Details in das Innenleben der NPD. Einer der Angeklagte­n berichtet, der Kreisverba­nd der rechtsextr­emen Partei finde in Augsburg keine Räume mehr, darum habe man sich andernorts treffen müssen, etwa in Schwenning­en. Rund 20 Mitglieder hat der Kreisverba­nd nach Darstellun­g der Angeklagte­n. W. und der Schatzmeis­ter des Kreisverba­ndes schildern das System um die Reisekoste­nabrechnun­gen so: Die beantragte­n Reisekoste­n seien nicht ausgezahlt, sondern in Parteispen­den umgewandel­t worden. Das sei „gängige Praxis“, sagt der Kreisverba­ndsvorsitz­ende. Es werde von Mitglieder­n erwartet, dass sie Kosten „im vertretbar­en Rahmen“selbst zahlen. Ein Nullsummen­spiel demnach, bei dem sich das Spendenvol­umen der Partei erhöht – und damit möglicherw­eise auch der Zuschuss aus der Staatskass­e, den es für erhaltene Spendenein­nahmen gibt.

Nachfrage von Richter Baptist Michale: Ob denn in den Fällen Spendenqui­ttungen ausgestell­t worden seien? „Nein“, sagt der Schatzmeis­ter. Richter Michale sieht weiteren Aufklärung­sbedarf: Er hat Nachermitt­lungen angeordnet und den Prozess ausgesetzt. Ein erneuter Termin steht noch nicht fest.

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