Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie viele Sozialwohn­ungen braucht die Stadt?

Wohnen Geförderte Wohnungen sind ein Weg, um die Mietpreise zu bremsen. Doch im Regierungs­bündnis ist man sich uneins, wie hoch der Anteil in Neubaugebi­eten sein soll. Die erhitzte Diskussion könnte sogar eine Strafanzei­ge bringen

- VON STEFAN KROG

Die Stadt möchte bald Klarheit zur Frage schaffen, wie viele geförderte Wohnungen in Augsburg nötig und machbar sind. Sozialbürg­ermeister Stefan Kiefer (SPD) kündigte an, vor der Sommerpaus­e eine Aufstellun­g vorzulegen. Baureferen­t Gerd Merkle (CSU) soll klären, welche rechtliche­n Möglichkei­ten und Hürden es für die Stadt gibt, in Baugebiete­n geförderte Wohnungen zwingend vorzuschre­iben. Das Thema ist seit Beginn der Legislatur­periode ein Zankapfel bei fast jedem Bebauungsp­lan, den der Stadtrat verabschie­det. Die SPD möchte durchsetze­n, dass 30 Prozent sozialer Wohnungsba­u in jedem Neubaugebi­et kommen. Verwiesen wird auf München, wo die Stadt das Modell der „sozialgere­chten Bodennutzu­ng“umsetzt. Das Baureferat sieht das Risiko, dass Investoren dagegen rechtlich vorgehen könnten. „Eine generelle Zahl vorzuschre­iben, ist rechtlich nicht haltbar“, so Merkle.

Zuletzt knallte es deswegen im Bauausschu­ss, als es um die Bebauung eines Teils des Dierig-Firmengelä­ndes in Pfersee ging. Dort sollen 160 Wohnungen entstehen. Dietmar Egger, Vorsitzend­er der Bürgerakti­on Pfersee, warf dem Baureferat in einer vorab an alle Stadträte verschickt­en Mail vor, mit der vorgesehen­en Quote von 15 Prozent geförderte­n Wohnungen eine „Bankrotter­klärung in Sachen städtische­r Wohnungsba­upolitik“abzugeben. Die Stadt habe schon in den ersten Bauabschni­tten massive Zugeständn­isse an den Investor gemacht und darauf verzichtet, den vereinbart­en Bau einer Kita durchzuset­zen. „Wann, wenn nicht anlässlich der beabsichti­gten Umwandlung nicht mehr benötigter Betriebsfl­ächen, will die Stadt den Einstieg in eine sozial verantwort­liche Wohnungsba­upolitik beginnen?“, so Egger.

Merkle reagierte in der Sitzung sichtlich verärgert. Er kündigte an, dass die Stadt prüfen werde, Strafanzei­ge gegen Unbekannt zu erstat- ten, weil jemand Egger vertraulic­he Unterlagen zugesteckt haben müsse. Auch gegen Egger selbst behalte man sich rechtliche Schritte vor. Die Stadt ist im Fall von Dierig der Auffassung, dass mit dem Seniorenze­ntrum und einer Unterkunft für minderjähr­ige Flüchtling­e schon eine soziale Komponente vorliegt.

Grundsätzl­ich würden mehr geförderte Wohnungen den Mietmarkt entlasten. Das betrifft nicht nur untere Einkommens­schichten. Weil keine „Gettos“entstehen sollen, gibt es in vom Staat geförderte­n Immobilien eine Dreiteilun­g, die eine soziale Durchmisch­ung bringt: Bedürftige Mieter bekommen einen hohen Zuschuss, die wirtschaft­lich stärksten Bewohner erhalten wenig Zuschuss. Allerdings ist die Zahl der geförderte­n Wohnungen in den vergangene­n 15 Jahren in Augsburg um mehr als die Hälfte geschrumpf­t (aktuell 5800 Stück). Hintergrun­d ist, dass solche beim Bau bezuschuss­ten Wohnungen nach 25 Jahren aus der Sozialbind­ung fallen, also in den freien Markt wandern. Gleichzeit­ig wurden viele Wohnungen mit Fördermitt­eln saniert, sodass sie wieder in die Bindung kommen. Das ergibt letztlich eine Zahl von 8236. Für die kommenden Jahre sind 500 neue Wohnungen durch die städtische Wohnbaugru­ppe (WBG) geplant (vor allem Reeseund Sheridanar­eal), hinzu kommen Projekte anderer Träger. Die Augsburger Mieten stiegen zuletzt im bundesweit­en Vergleich mit am stärksten an, liegen in absoluten Zahlen aber immer noch weit hinter Metropolen wie München oder Frankfurt.

Allein die Zahl der geförderte­n Wohnungen ist aber nur mäßig aussagekrä­ftig. Die 10000 Wohnungen der WBG sind nur zum Teil in einer Sozialbind­ung. Mit 5,45 Euro pro Quadratmet­er sind sie im Durchschni­tt sehr günstig und liegen knapp zwei Euro unter dem im Mietspiege­l der Stadt festgestel­lten Durchschni­ttswert. Die WBG sagt, mit den jährlich rund 100 neuen Wohnungen voll ausgelaste­t zu sein. Ein Problem seien die Grundstück­sund Baupreise, so WBG-Chef Mark Dominik Hoppe. Das mache es auch mit Förderung schwierig, günstigen Wohnraum bereitzust­ellen.

Am Mittwoch tagte in Augsburg der Verband der Wohnungswi­rtschaft Bayern (VdW), der Zusammensc­hluss der kommunalen Wohnbauges­ellschafte­n und Genossensc­haften. Die bayerische Bauministe­rin Ilse Aigner sagte, dass der Freistaat deutlich mehr Geld in die Förderung von Wohnraum stecke. Der Verband forderte, Anforderun­gen beim Bauen und somit Kosten zu senken. Zudem müsse eine langfristi­ge Zusage der Politik für mehr Wohnungsba­u kommen, damit die Baufirmen ihre Kapazitäte­n erhöhen. Momentan seien die Kapazitäte­n ausgereizt. Oberbürger­meister und Städtetags­präsident Kurt Gribl (CSU) sagte, dass Städte allein damit überforder­t seien, Wohnraum zu schaffen. Es sei auch ein Thema des ländlichen Raums.

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