Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mordfall Angelika B.: Ermittlung­en weit fortgeschr­itten

Justiz Vor fast 25 Jahren wurde eine Prostituie­rte ermordet. Nun könnte es zu einem Prozess gegen einen 49-Jährigen kommen

- VON JAN KANDZORA

Es gibt Fotos von Angelika B. als junge Erwachsene. Auf einem ist sie mit zwei ihrer drei Kinder im Arm abgelichte­t, umringt von ihrem damaligen Ehemann, Bekannten, einem Pfarrer. Es war die Taufe ihrer Zwillinge. Ein weiteres Bild zeigt sie bei einem Ausflug ins Grüne; man sieht glücklich wirkende junge Menschen, die an einem sonnigen Tag auf einer Rasenfläch­e sitzen.

Aktuelle Fotos von Angelika B. gibt es indes nicht, kann es nicht geben. Vor fast 25 Jahren wurde die 36-Jährige umgebracht. Damals, im September 1993, arbeitete Angelika B. als Prostituie­rte auf dem Augsburger Straßenstr­ich. In der Nacht auf den 25. September wurde sie getötet. Einen Tag später fand ein Spaziergän­ger ihre Leiche, die in einem Graben an einer Unterführu­ng in Gessertsha­usen lag. Jemand hatte unter anderem mit erhebliche­r

Wucht auf die 36-Jährige eingeschla­gen, berichtete die Polizei später. Jahrzehnte­lang blieb ungeklärt, wer sie ermordet hatte.

Seit einigen Monaten nun gibt es einen Verdächtig­en. Wie berichtet, hat die Polizei Ende des vergangene­n Jahres einen 49-jährigen Augsburger festgenomm­en, Stefan E., der zuletzt in einer kleinen Wohnung in der Jakobervor­stadt lebte. Seit November sitzt er in Untersuchu­ngshaft, Ende dieses Monats steht ein Haftprüfun­gstermin an. Dann entscheide­t das Oberlandes­gericht, ob der Beschuldig­te weiter in Haft bleibt.

Nach Informatio­nen unserer Zeitung sind die Ermittlung­en der Kriminalpo­lizei gegen den Mann in der Endphase. Sie seien weit fortgeschr­itten, sagt Oberstaats­anwalt Matthias Nickolai. Abgeschlos­sen sind sie noch nicht. Nachdem die Ermittlung­en zunächst ausschließ­lich wegen des dringenden Verdachtes des Mordes liefen, wurde der Haftbefehl im Dezember erweitert: Stefan E. steht seither auch unter Verdacht, vor wenigen Jahren eine Frau vergewalti­gt zu haben. Zu dem Vergewalti­gungsverda­cht hat der Beschuldig­te bislang offenbar geschwiege­n. Den Mordvorwur­f bestreitet er vehement, wie sein Anwalt Klaus Rödl im vergangene­n Jahr sagte. Aktuell will sich der Verteidige­r nicht weiter zu dem Fall äußern. Wie berichtet, stützen die Ermittler den Mordverdac­ht offenbar auf mehrere DNA-Spuren, die an der Leiche der Prostituie­rten gesichert wurden. Das Erbgut des Verdächtig­en hatte die Polizei schon länger gespeicher­t, weil er in der Vergangenh­eit durch Drogendeli­kte aufgefalle­n war und kürzere Haftstrafe­n absitzen musste. Weil die Methoden der DNA-Analyse in den vergangene­n Jahren immer besser geworden sind, ist es nun offenbar gelungen, die Spuren von der Leiche dem Verdächtig­en zuzuordnen.

Zur Tatzeit, 1993, soll Stefan E. regelmäßig zu Prostituie­rten gegangen sein, die, wie Angelika B., nahe der Ackermann-Brücke standen und auf Freier warteten. Sollte er wegen Mordes angeklagt werden, dürfte es auf einen Indizienpr­ozess hinauslauf­en. An dem würden in dem Fall auch mehrere Angehörige von Angelika B. teilnehmen, sei es im Zuschauerb­ereich, sei es als Nebenklage­vertreter. Tochter Susanne K.*, eine der beiden Zwillinge auf dem Tauffoto, will als Nebenkläge­rin auftreten. Sie ist größtentei­ls bei Adoptivelt­ern aufgewachs­en. Erinnerung­en an ihre frühe Kindheit hat sie nicht. Durch den Mord, sagt sie, habe sie nie die Möglichkei­t gehabt, ihre Mutter später noch einmal zu treffen. * Name geändert

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Angelika B.

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