Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Das Leben des „guten Vater Max“auf Papierbühne
Eröffnung Schüler aus Gersthofen, ganz Schwaben und aus Justizvollzugsanstalten haben zur bayerischen Verfassung eine Ausstellung auf die Beine gestellt. Es gibt viel zu sehen und zu hören. Und die Besucher können ein Buch weiter füllen
Aichach „Verfassung? Geht mich an!“ist der vielsagende Titel der neuen Wanderausstellung im Aichacher Stadtmuseum. Am Freitagabend wurde sie eröffnet. Noch bis zum 5. August kann sie besichtigt werden. Christine Schmid-Mägele vom Paul-Klee-Gymnasium Gersthofen hat gemeinsam mit vielen Mitwirkenden eine einzigartige, multiperspektivische Schau auf die Beine gestellt.
Beteiligt waren die Begabtenförderung des Ministerialbeauftragten für die Gymnasien Schwaben – unter anderem das Paul-Klee-Gymnasium Gersthofen – die ElisabethSchule der Lebenshilfe in Aichach und die Integrationsklasse der Geschwister-Scholl-Mittelschule Aichach sowie die Kurse für den Erwerb des qualifizierenden Hauptschulabschlusses der Justizvollzugsanstalten Aichach und Kaisheim. Die Schüler selbst haben mit viel Begeisterung bei der Eröffnung ihre Exponate und interaktiven Ideen präsentiert.
Mit viel Hintergrundwissen erzählten sie von der Zeit Napoleons, König Max I. Joseph von Bayern, des Grafen Montgelas und als Bezug zum Wittelsbacher Land Karl Ernst Freiherr von Gravenreuth, Vorfahr von Marian Freiherr von Gravenreuth im Schloss Affing. Im Zuge des umfangreichen Projektes durften die Schüler das Affinger Schloss sowie das Bayerische Hauptstadtarchiv besuchen. In Letzterem wurde es ihnen sogar ermöglicht, mit weißen Handschuhen im Original der Bayerischen Verfassung von 1818 zu blättern.
Ein Jahr nahmen die Vorbereitungen für diese besondere Ausstellung in Anspruch. Zeit, in welcher sich die Schüler und Lehrer intensiv mit den Hintergründen sowie den Bedeutungen für unsere heutige Zeit auseinandergesetzt haben. Teil der Ausstellung ist auch ein Film von und mit Schülern aus der Übergangsklasse der Geschwister-SchollSchule Aichach, in welchem die jungen Leute erzählen, welchen kulturellen Hintergrund sie haben und was Heimat für sie bedeutet. Grundrechte und Religionsfreiheit werden hier ebenfalls thematisiert. Wie unterscheidet sich Bayern beziehungsweise Deutschland von ihren Herkunftsländern.
Ein Thema wie es aktueller nicht sein könnte. In den beiden schwäbischen JVAs Aichach und Kaisheim wurden die verschiedensten Kunstwerke und Exponate hergestellt. Papierpuppentheater, Pop-Art-Bilder, Scherenschnitt-Profile mit eigenen Gedichten kamen aus Aichach. Der aufwendige naturgetreue Nachbau der „Verfassungslade“, jenem Behältnis in welchem das Original seinerzeit sicher geschützt verwahrt wurde, wurde in Kaisheim gemacht. Heute steht das Original im Bayerischen Landtag.
Ursprünglich gingen die Projektklassen davon aus, diese sei aus Holz gefertigt, mussten jedoch überrascht feststellen, dass das Original aus Metall ist. Dennoch entschied man sich beim Nachbau für das leichter zu bearbeitende Material Holz. Um genauer zu sein, Eichenholz, wel- ches die optimale Maserung aufweist und sich zudem in der Räucherkammer optimal altern ließ. Die aufwendigen Ornamente auf der Vorderseite stellten die größte Herausforderung dar. Nach langer Überlegung fand man die optimale Lösung im 3-D-Druck und mit der Firma Voxeljet aus Friedberg auch einen guten Partner. Nachdem die Teile dort gedruckt worden waren, wurden sie noch patiniert und vergoldet. Ein beeindruckendes Stück Gemeinschaftsarbeit, welches dem Original sehr ähnelt.
Ein weiterer interessanter Themenbereich der Ausstellung befasst sich mit der Frage „Heimat ist …?“Hier können die Besucher Interviews mit fünf bekannten Aichacher Persönlichkeiten wie Bürgermeister Klaus Habermann oder Stadtpfarrer Herbert Gugler anhören. Sie gehen auf verschiedene Fragen zu diesem Thema ein.
Auch ein Buch liegt aus, in welches bereits Schüler ihre Gedanken zum Thema Heimat schreiben konnten und das die Besucher der Ausstellung weiter füllen können. Zur Eröffnung dieser besonderen Wanderausstellung waren am Freitag zahlreiche Gäste und Vertreter der Politik erschienen. Bürgermeister Klaus Habermann und Landrat Klaus Metzger gingen jeweils in ihren Grußworten auf die Werte der Verfassung von 1818 ein, welche bis heute unser gemeinschaftliches Leben in Bayern begleiten und grundlegend mitbestimmen.
Ministerialbeauftragter für die Gymnasien in Schwaben, Peter Kempf, betonte, dass nicht zuletzt die Bayerische Verfassung den Schulen den Auftrag zur politischen Bildung der Schüler erteilt. „Das Ziel ist eindeutig, dass Schüler und Schülerinnen in der Lage sein sollen, sich gesellschaftlich zu engagieren und als mündige Bürger am politischen Prozess teilzunehmen“, so Kempf. Und genau dieser Aspekt sei mit der Wanderausstellung „Verfassung? Geht mich an!“vorbildlich gelungen und umgesetzt worden. Ein eigentlich eher spröde wirkendes Thema wurde vielseitig und kreativ mit enormer Begeisterung aller Beteiligten aufgearbeitet und zum Leben erweckt.
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Laufzeit Die Ausstellung „Verfassung? Geht mich an!“im Aichacher Stadtmuseum ist bis Sonntag, 5. August, im Aichacher Stadtmuseum zu sehen. Die Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag sowie Feiertag von 14 bis 17 Uhr, Führungen nach Vereinbarung.