Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Diesel dürfen nicht komplett verbannt werden
Im Februar urteilte das Verwaltungsgericht, dass Fahrverbote zulässig sind. Nun führen die Richter das aus
Leipzig/Berlin Im Kampf gegen zu schmutzige Luft können Städte einzelne Straßen für ältere Diesel sperren – Fahrverbote für größere Innenstadtbereiche sind nicht so einfach möglich. Das geht aus dem schriftlichen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hervor.
Für ganze Zonen seien zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit nur „phasenweise“Verbote je nach Alter und Schadstoffausstoß sowie Ausnahmeregeln erforderlich. Dann brauche es auch keine Entschädigungen für betroffene Autobesitzer.
Die ausführliche Begründung war mit Spannung erwartet worden, nachdem die Richter Fahrverbote bei der Urteilsverkündung vor knapp drei Monaten grundsätzlich erlaubt hatten. Nun erläutern sie näher, welche Anforderungen sie an die geforderte Verhältnismäßigkeit stellen. Die höchstrichterlichen Urteile beziehen sich auf konkrete Fälle in Stuttgart und Düsseldorf, haben aber Signalwirkung.
Die Richter unterscheiden klar zwischen Verboten auf einzelnen Strecken und in größeren Innenstadtzonen. Für „zonale Verbote“formulieren sie strenge Anforderungen: „Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen.“So sei eine „phasenweise Einführung“zu prüfen, bei der Verbote zunächst nur für „ältere Autos (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4)“kommen.
Für neuere Euro-5-Fahrzeuge komme eine Sperrung ganzer Cityzonen „nicht vor dem 1. September 2019“in Betracht – wie die Richter bereits in ihrer mündlichen Urteilsbegründung erklärt hatten. Dieser Zeitpunkt liege vier Jahre nach Inkrafttreten der Abgasnorm 6 für alle Neuwagen zum 1. September 2015. Damit sei gewährleistet, dass dem Eigentümer eines Euro-5-Fahrzeugs eine „uneingeschränkte Mindestnutzungsdauer“verbleibe, die über die ersten drei Jahre, die erfahrungsgemäß mit einem besonders hohen Wertverlust verbunden seien, hinausgehe. Zudem seien Ausnahmen etwa für Handwerker oder Anwohner zu prüfen.
Für Verbote nur auf einzelnen Straßen oder Straßenabschnitten sehen die Richter keine größeren Hürden. Derartige Einschränkungen gingen nicht über sonstige Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, „mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen“. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit „bis unmittelbar vor die Haustür“gehören in Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Laut Urteilsbegründung zu Düsseldorf seien auch Ausnahmeregeln etwa für Handwerker zu prüfen.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) als Klägerin in den Verfahren forderte die Behörden auf, Diesel-Fahrverbote „unverzüglich“in Luftreinhaltepläne aufzunehmen und vorzubereiten. Das schriftliche Urteil verdeutliche, dass Gesundheitsschutz Vorrang habe.