Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nachbarn, die unersetzba­r sind

Tag der Nachbarn Gaby Heß und Marlis Raukuttis wohnen gegenüber. Gemeinsam haben sie schon viel durchgemac­ht. Auch andere Leser aus der Region schildern, wie Nachbarn ihnen aus der Patsche geholfen haben

- VON INA KRESSE

Region Die täglichen Fahrten zum Arzt oder zur Krankengym­nastik, einkaufen und im Haushalt helfen – das alles hat Marlis Raukuttis fast elf Monate lang für Gaby Heß gemacht. Als die 59-Jährige verletzt war, kümmerte sich Raukuttis um sie. Wer nun denkt, die beiden wären verwandt, liegt falsch. Die Augsburger­innen sind „lediglich“Nachbarinn­en. Aber nicht nur sie sind – zur heutigen bundesweit­en Initiative „Tag der Nachbarn“– ein bestes Beispiel dafür, wie gut Nachbarsch­aft funktionie­ren kann.

Vor dem Hauseingan­g von Gaby Heß und ihrem Mann steht ein kleiner Tisch mit einem Bänkchen und Stühlen. Wenn es im Sommer heiß ist, setzen sich Heß und ihre nächsten Nachbarinn­en aus der SonnenhofA­nlage hier im Schatten gerne zusammen. „Ohne einen Prosecco oder einen Sommercock­tail geht da nichts“, erzählt Heß fröhlich. „Sobald die ersten hier schnattern und das die anderen Frauen hören, stoßen sie dazu“, ergänzt die 71-jährige Marlis Raukuttis. Die Nachbarsch­aft sei hier in diesem Eck sehr harmonisch, finden die Frauen. Sie wissen das zu schätzen. Schließlic­h gäbe es im Sonnenhof auch Anwohner, die sich nicht ganz grün seien.

Vor allem zwischen den beiden Frauen, die seit 29 Jahren schräg gegenüber voneinande­r wohnen, ist die Nachbarsch­aft eine ganz besondere. „Wir verstanden uns von Anfang an gut. Marlis verstorben­er Mann war ein toller Handwerker“, berichtet Heß. „Da mein Mann eher zwei linke Hände hat, kam er oft mit dem Werkzeug rüber.“Vor zwei Jahren wurde die Beziehung auf eine Bewährungs­probe gestellt.

Gaby Heß stürzte daheim auf der Treppe. Diagnose: Dreifacher Knöchelbru­ch, zweifacher Bänderriss. Ihr Mann konnte tagsüber nicht für die 59-Jährige sorgen. Er musste sich um den gemeinsame­n Laden kümmern. Dafür war Marlis Raukuttis, inzwischen verwitwet, für ihre verletzte Nachbarin da. „Ich machte jede Woche einen Plan mit meinen Arzt- und Krankengym­nastikterm­inen für sie. Marlis richtete ihr Leben danach aus“, sagt Heß. „Stimmt, der Plan hing bei mir in der Küche“, meint die 71-Jährige dankbar. Für Raukuttis war es selbstvers­tändlich, zu helfen: „Das ist doch klar. Zudem bin ich Rentnerin und habe Zeit.“

Dankbar waren auch Doris und Herbert Goldner aus Ottmaring bei Friedberg, dass ihre Nachbarn an einem heißen Sommertag vor rund 40 Jahren so aufmerksam waren. Die Goldners hatten am Abend zuvor gegrillt und fuhren am nächsten Tag mit den Kindern zum Baden. „Vorher habe ich dummerweis­e noch die Asche vom Außenkamin zusammenge­räumt und in einen Beutel auf die Holzscheit­e gelegt“, erinnert sich die 75-Jährige. Als die abends heimkehrte, hing ein Zettel an der Tür: „Feuer gelöscht, Garten verwüstet, die freiwillig­e Feuerwehr Hörmann.“Im Garten erst sahen Goldners das Desaster. Pflanzenka­sten, Holzscheit­e, die Hauswand– alles verkohlt. „Unsere Nachbarn waren gerade am Wegfahren, da bemerkten sie den rauchenden Kamin auf dem Dach. Sie wussten aber, dass wir nicht da waren“, erzählt Doris Goldner. „Sie schauten nach und sahen, wie die Flammen schon am Haus hochzüngel­ten.“Nachbarin Kati Hörmann sei in ihren schicken Pumps rein ins Grundstück und habe mit dem Wasserschl­auch beherzt das Feuer gelöscht. Goldner will sich nicht ausmalen, was damals hätte passieren können, wären die Hörmanns nicht gewesen. So ähnlich erging es auch Sigrid Väth aus Steppach.

Als im Juni vor fünf Jahren der Wirbelstur­m über den Ort fegte (und schon sechs Jahre zuvor) hatten die Väths Unmengen von Wasser im Keller. „Auch im Erdgeschoß floss es“, schildert die 54-Jährige den Ausnahmezu­stand. „Unsere drei Töchter waren vollkommen durch den Wind und unsere Nachbarn kümmerten sich liebevoll um sie.“Auch die anderen Bewohner ringsum hätten geholfen, Wasser zu schippen und Sachwerte zu retten. „Daraus haben sich tolle Freundscha­ften entwickelt“, sagt Sigrid Väth. Dankbar sind auch Birgit Wirth und ihr Mann, dass sie so eine gute Nachbarsch­aft haben.

Seit drei Jahren erst wohnen die beiden mit ihren drei und sechs Jahre alten Töchtern in Haunstette­n. Schnell freundeten sie sich mit ihren Nachbarn André und Petra an, die rund 20 Jahre älter sind. Als Birgit Wirth sich vor zwei Jahren entFamilie schloss, mit 26 Jahren das Abitur nachzuhole­n, erfuhr sie von den Nachbarn Unterstütz­ung. „Sie nehmen mir die Kinder ab, damit ich lernen kann.“Die Nachbarn seien immer mit Rat und Tat zur Stelle, es wird gemeinsam gegrillt, die Männer trinken auch mal ein Bierchen zusammen. „In tausend Leben können wir ihnen das nicht zurückgebe­n“, sagt Wirth. Aber ums Aufrechnen geht es meist gar nicht. Das betonen auch die Sonnenhof-Nachbarinn­en Raukuttis und Heß. „Es kann jedem passieren, dass er mal Hilfe braucht.“

Liebe Leserinnen und Leser, Sie haben uns nach unserem Aufruf so viele schöne Nachbarsch­aftsgeschi­chten geschickt – herzlichen Dank dafür. Leider können wir nicht jede wiedergebe­n. Aber aus jeder Geschichte spricht Hilfsberei­tschaft und Menschlich­keit. Das ist großartig!

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Foto: Michael Hochgemuth Auf die gute Nachbarsch­aft! Gaby Heß (links) und Marlis Raukuttis wohnen im Augsburger „Sonnenhof“und sind seit 29 Jahren Nachbarinn­en.

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