Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Warum das Asyl-Schlupfloc­h Seehofer verschluck­en könnte

Ausgerechn­et der Innenminis­ter gerät in der Flüchtling­spolitik in die Defensive. Doch als konsequent­er Aufklärer von Skandalen hat er sich bereits bewährt

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger­allgemeine.de

Es hat schon etwas von verkehrter Welt: Da hat Horst Seehofer, als er bayerische­r Ministerpr­äsident war, die Flüchtling­spolitik von Bundeskanz­lerin Angela Merkel heftigst kritisiert, sogar von einer „Herrschaft des Unrechts“sprach der CSU-Chef. Inzwischen ist er Bundesinne­nminister unter Merkel und muss sich qua Amt mit den haarsträub­enden Vorgängen in der Bremer Außenstell­e des Bundesamts für Migration herumschla­gen. Die Opposition kritisiert Seehofer massiv, sogar der Koalitions­partner SPD wirft ihm mangelnden Aufklärung­swillen vor.

Sicher ist: Die Affäre in Bremen ist höchst brisant für Seehofer. Nach allem, was in den vergangene­n Wochen bekannt geworden ist, hat dort tatsächlic­h lange Zeit Unrecht geherrscht. Flüchtling­e, von rund 1200 ist im Moment die Rede, sollen Asyl erhalten haben, ohne dass die Voraussetz­ungen dafür erfüllt waren. Während die Staatsanwa­ltschaft weiter ermittelt, ist die Affäre längst zur Gefahr für den sozialen Frieden im Land geworden – Wasser auf die Mühlen von Rechtspopu­listen, die Zuwanderun­g insgesamt ablehnen.

Horst Seehoher, der mit dem Verspreche­n angetreten ist, für Ordnung im Asylwesen zu sorgen, ist jetzt als Aufklärer gefragt – wieder einmal und vielleicht mehr denn je. Schon in seinen beiden früheren Ministerze­iten hatte er es mit gewaltigen Skandalen zu tun – und er räumte jeweils beherzt auf. Als Bundesgesu­ndheitsmin­ister schreckte er in der schrecklic­hen Affäre um HIV-verseuchte Blutkonser­ven nicht davor zurück, das gesamte Bundesgesu­ndheitsamt aufzulösen. Und auch als Bundesland­wirtschaft­sminister griff er konsequent durch, als ein Gammelflei­schSkandal das Vertrauen der Bundesbürg­er erschütter­te.

Der Bamf-Skandal um das mutmaßlich­e Bremer Asyl-Schlupfloc­h, den Seehofer von seinem Vorgänger Thomas de Maizière geerbt hat, wirft brisante Fragen auf: Wie konnte es offenbar über einen langen Zeitraum zu fehlerhaft­en Entscheidu­ngen kommen? Haben Kontrollin­stanzen versagt, sind sie überhaupt ausreichen­d? Gibt es strukturel­le Mängel im gesamten BamfSystem? Und auch die Frage, wer wann in Bamf und Innenminis­terium wen informiert hat, bedarf der Aufklärung. Ebenso gefährlich für das Vertrauen der Bürger in die Behörden ist der in den vergangene­n Wochen entstanden­e Eindruck, dass die zeitweilig­e Bremer Bamf-Chefin Josefa Schmid kaltgestel­lt wurde, weil ihr Aufklärung­seifer der Zentrale in Nürnberg zu weit ging.

Der Aufklärung­sbedarf ist gewaltig. Und es gibt kaum einen Zweifel, dass Seehofer dies verstanden hat. Der Bundesinne­nminister wird sehr schnell Antworten auf die offenen Fragen liefern und entspreche­nde Konsequenz­en ziehen müssen. Sonst droht der von der FDP geforderte, langwierig­e Untersuchu­ngsausschu­ss, den dann gerade die AfD zur Generalabr­echnung mit der Flüchtling­spolitik der Bundesregi­erung nutzen könnte.

Bamf-Chefin Jutta Cordt darf sich der Rückendeck­ung Seehofers zwar nicht allzu sicher sein. Es sollte in der Bamf-Affäre aber auch nicht nach dem bekannten Motto „Verantwort­licher identifizi­ert, gefeuert, Thema erledigt“gehen. Seehofer verfügt über genügend Krisenerfa­hrung, den Skandal nicht nur anständig zu bewältigen, sondern sogar gestärkt aus ihm hervorzuge­hen. Was in Bremen geschehen ist, bietet ihm die Chance, die vermeintli­chen Missstände, die er selbst so vehement kritisiert hat, wirklich schonungsl­os aufzuarbei­ten. Um am Ende dieses Prozesses eines jener Kernverspr­echen einzulösen, mit denen er angetreten ist: dafür zu sorgen, dass Asyl-Entscheidu­ngen in Deutschlan­d nach einheitlic­hen, rechtsstaa­tlichen und jederzeit überprüfba­ren Standards getroffen werden.

Er muss jetzt schnell Konsequenz­en ziehen

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