Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Die haben alle Angst“

Wie die Bamf-Affäre vor Ort auf die Betroffene­n wirkt und was ein Krisengesp­räch mit Amtschefin Cordt in Bremen ergab

- VON ECKHARD STENGEL

Bremen Jutta Cordt kommt zwölf Minuten zu früh. Um 11.48 Uhr entsteigt die Präsidenti­n des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e einer schwarzen Limousine und wird vor der Bremer Innenbehör­de sofort von Kamerateam­s umringt. Aber Cordt will nichts sagen zu dem bevorstehe­nden Gespräch über die Bamf-Affäre, zu dem kurz danach auch der niedersäch­sische Innenstaat­ssekretär Stephan Manke und – um fünf vor zwölf – sein Kollege Helmut Teichmann aus dem Bundesinne­nministeri­um eintreffen. Auch bei ihnen gilt die Devise: kein Kommentar.

Knapp zwei Stunden lang sprechen die Angereiste­n mit dem Bremer Innenstaat­srat Thomas Ehmke. Danach verschickt die Innenbehör­de eine knappe Pressemitt­eilung: „Die Gesprächsp­artner haben ein großes gemeinsame­s Interesse an einer schnellen und umfassende­n Aufklärung der Vorfälle“, heißt es darin. Geplant sei eine gemeinsame Ermittlung­sgruppe der Zentralen Antikorrup­tionsstell­e und des Landeskrim­inalamtes Bremen mit Unterstütz­ung der Bundespoli­zei.

Viele Fragen aber bleiben offen, gut einen Monat nach dem Bekanntwer­den der angeblich ohne ausreichen­de Prüfungen erteilten Asylbesche­ide der Bamf-Außenstell­e Bremen. Gerne wüsste man zum Beispiel, was Cordt davon hält, dass CSU-Innenminis­ter Horst Seehofer dem Bremer Bamf sämtliche Asylentsch­eidungen entzogen hat – obwohl sich die Vorwürfe doch im Wesentlich­en nur gegen die abgesetzte Chefin Ulrike B. richten.

„Irrsinn“, so nennt Bertold Reetz die Behörden-Zwangspaus­e. Er ist verantwort­lich für die neun Bremer Flüchtling­sheime der evangelisc­hen Inneren Mission. „Ich bin dafür, dass das aufgeklärt wird“, sagt er unserer Zeitung, „aber doch nicht so“. Nämlich auf dem Rücken der Flüchtling­e. Sie müssen ihre Asylanträg­e jetzt in der nächstgele­genen Bamf-Außenstell­e ausfüllen: im niedersäch­sischen Bad Fallingbos­tel, rund 80 Kilometer entfernt.

Besonders schlimm findet Reetz, dass beim Bremer Bamf jetzt nicht nur die von der Staatsanwa­ltschaft ins Visier genommenen 1200 Asylentsch­eidungen von Ulrike B. aus den Jahren 2013 bis 2016 überprüft werden, sondern rückwirken­d alle 18 000 positiven Bremer Bescheide der vergangene­n 18 Jahre. „Das schafft eine riesige Verunsiche­rung“, befürchtet Reetz. Längst integriert­e Ausländer fragten sich jetzt, ob sie womöglich abgeschobe­n werden. „Die haben alle Angst.“

Keine Existenzän­gste, aber eine gewisse Verunsiche­rung dürften auch die unter Generalver­dacht gestellten Bremer Bamf-Beschäftig­ten empfinden. „Die 50 Mitarbeite­r

Es heißt, die 50 Mitarbeite­r drehen nur Däumchen

dort sitzen ihre Zeit ab und drehen Däumchen“, heißt es aus dem Umfeld der Behörde. Die Beschäftig­ten haben keinen Zugang mehr zum Bamf-Computersy­stem.

Und was macht die suspendier­te Ulrike B.? Ihr Anwalt weist alle strafrecht­lichen Vorwürfe zurück. Von ihr selbst ist dazu nichts zu hören. Ihre letzten Twitter-Kurzmeldun­gen von Anfang Mai drehen sich um den Nahostkonf­likt. Vorher hatte sie in ihren Botschafte­n vor allem auf das Schicksal verfolgter Jesiden hingewiese­n, jener Minderheit, die bei ihr offenbar mit bevorzugte­r Behandlung rechnen konnte. Viele glauben nicht, dass B. sich dafür bestechen ließ: „Die hätte eher etwas draufgezah­lt, als einem Flüchtling Geld abzuknöpfe­n“, sagte eine Bekannte der Zeitung taz.

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Foto: dpa Bamf Chefin Jutta Cordt auf dem Weg zum Krisentref­fen.

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