Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Spott über Kreuz Erlass

Weil die Umsetzung der Anordnung nicht kontrollie­rt wird, greift die Opposition Ministerpr­äsident Söder an

- VON DANIEL WIRSCHING UND STEPHANIE SARTOR

Augsburg Meint es Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) mit seinem umstritten­en Kreuz-Erlass möglicherw­eise gar nicht so ernst? Das mutmaßt man zumindest bei Grünen und SPD. Fast schon amüsiert reagierten Vertreter der Opposition­sparteien am Freitag darauf, dass das Aufhängen von Kreuzen in bayerische­n Behörden nicht überprüft werden soll. „Der Kreuz-Erlass soll offensicht­lich sang- und klanglos beerdigt werden“, sagte die religionsp­olitische Sprecherin der Grünen-Fraktion und Landtags-Vizepräsid­entin Ulrike Gote.

Hintergrun­d für die aktuelle Diskussion sind Aussagen von Oliver Platzer, Pressespre­cher des bayerische­n Innenminis­teriums, gegenüber unserer Zeitung. Er hatte in der Freitagsau­sgabe gesagt: „Wir setzen voraus, dass die jeweilige Behördenle­itung die Allgemeine Geschäftso­rdnung kennt und danach handelt. Wir sehen keinen Anlass zu einer Überprüfun­g – und freuen uns über jedes Kreuz, das hängt.“

SPD-Fraktionsc­hef Markus Rinderspac­her glaubt gar, Söder nehme sich selbst nicht ganz ernst. „Denn er legt nun offenbar keinen gesteigert­en Wert darauf, dass seine staatliche­n Anordnunge­n auch vollzogen werden.“Dies zeige einmal mehr: „Söder ging es bei der Kreuz-Debatte offensicht­lich nur um den kurzfristi­gen Zauber des Wahlkampf-Augenblick­s.“

Nicht nur auf Kontrollen soll verzichtet werden, es gibt auch keine Vorgaben zur Umsetzung des Erlasses. „Wo genau und welche Kreuze angebracht werden, entscheide­t die jeweilige Behördenle­itung“, hieß es aus dem Innenminis­terium. Genau dieses Fehlen von Vorgaben hatte allerdings bayernweit in staatliche­n Behörden für Verwirrung gesorgt. Vielerorts zeigten sich Mitarbeite­r verunsiche­rt, wo sie ab dem 1. Juni Kreuze aufhängen müssen. Was dazu führte, dass Behördenle­iter auf Ausführung­sbestimmun­gen warteten oder sich erst jetzt Gedanken über die Umsetzung machen.

Andere indes haben längst gehandelt. In der Staats- und Stadtbibli­othek Augsburg – eine Behörde des Freistaats – sei kurz nach dem Erlass von Ende April ein Kreuz angebracht worden, sagte die stellvertr­etende Leiterin Brigitte Schürmann. Auf detaillier­te Vorgaben habe man nicht gewartet. „Damit haben wir nicht gerechnet. Und das fände ich auch übertriebe­n.“Schürmann kann auch verstehen, dass das Innenminis­terium nun ankündigte, überhaupt nicht zu kontrollie­ren, ob alle Behörden dem Kreuz-Erlass nachkommen. „Das wäre ein sehr großer Aufwand“, sagte sie.

Magnus Mayer, Leiter des Wertinger Landwirtsc­haftsamtes, hält eine Überprüfun­g ganz grundsätzl­ich für unnötig. „Eine Staatsregi­erung, die sich nicht darauf verlassen könnte, dass ihr Beamtenapp­arat ihre Anordnunge­n umsetzt, hätte ein Problem“, sagte er am Freitag. Es gehe hier um eine Frage der Loyalität. Ihm genüge, so Mayer, auch die „kurz und knapp“formuliert­e Anordnung in der Allgemeine­n Geschäftso­rdnung für die Behörden des Freistaate­s Bayern. Dort ist zu lesen: „Im Eingangsbe­reich eines jeden Dienstgebä­udes ist als Ausdruck der geschichtl­ichen und kulturelle­n Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringe­n.“

Im Kultusmini­sterium hat man sich früh für eine ganz besondere Kreuz-Variante entschiede­n: selbst gemachte Schülerkre­uze. „Dass im Kultusmini­sterium Schülerarb­eiten zur Geltung kommen sollen, wurde kurz nach dem Kabinettsb­eschluss festgelegt“, teilte eine Sprecherin mit. Das habe aber natürlich nie ausgeschlo­ssen, dass gegebenenf­alls konkretere Vorgaben berücksich­tigt werden könnten.

Oliver Röder, stellvertr­etender Leiter des Finanzamts Memmingen-Mindelheim, begrüßte, dass sich das Innenminis­terium überhaupt geäußert hat. „Als Behördenle­iter wünscht man sich eigentlich bei einer solchen Anordnung einheitlic­he Standards“, sagte er. Zwar habe es auch in seiner Behörde Diskussion­en gegeben, wo man Kreuze anbringen solle, mit der Umsetzung habe man aber eher wenig Probleme.

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Foto: dpa Markus Söder erntet viel Kritik für den Kreuz Erlass. Und auch Spott.

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