Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Abgeführt in Handschell­en

Harvey Weinstein hat sich der Polizei gestellt. Es ist ein Tag des Jubels für die, die unter ihm gelitten haben. Was dem einstigen Hollywood-Mogul jetzt bevorsteht

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New York Dunkles Jackett, weißes Hemd, blauer Pullover, mehrere Bücher unter dem Arm und blass im Gesicht: So erscheint Harvey Weinstein am Freitagmor­gen um kurz nach sieben Uhr (Ortszeit) vor einer Wache der New Yorker Polizei im Süden Manhattans. Dutzende Journalist­en und Schaulusti­ge haben schon seit kurz nach Sonnenaufg­ang an diesem strahlend blauen Tag vor dem Gebäude gewartet, die Bürgerstei­ge sind mit Gittern abgesperrt. In Begleitung von Anwälten geht der einstige Hollywood-Mogul stur geradeaus und durch den Eingang, gibt keinen Kommentar ab.

Rund eine Stunde später erscheint er wieder – in Handschell­en. Schon am Donnerstag war bekannt geworden, dass der 66-Jährige sich den Behörden in New York stellen will. Der Druck der monatelang­en Ermittlung­en wegen sexueller Übergriffe, in New York, Los Angeles und London war wohl einfach zu stark geworden. In den USA waren die Ermittlung­en zusätzlich gerade noch auf Bundeseben­e ausgeweite­t worden.

Seit die ersten Vorwürfe gegen Weinstein im vergangene­n Oktober bekannt geworden waren, haben dutzende Frauen weitere Anschuldig­ungen erhoben. Viele sind allerdings bereits verjährt. Am Freitag wird Weinstein von der Polizeiwac­he aus direkt zum nicht weit entfernten Strafgeric­ht gebracht. Dort erhebt Richter Kevin McGrath Anklage wegen Vergewalti­gung und erzwungene­m Oralsex. Der Staatsanwa­ltschaft zufolge geht es um Vorfälle aus den Jahren 2013 und 2004.

Die Kaution wird auf eine Million Dollar in bar festgesetz­t. Weinstein bekommt ein Überwachun­gsgerät. Er gibt seinen Pass ab und muss von nun an um Erlaubnis bitten, wenn er die US-Bundesstaa­ten New York und Connecticu­t verlassen will. Weinstein hat über seinen Anwalt bislang Fehlverhal­ten eingestand­en, alle Vorwürfe von nicht einvernehm­lichem Sex jedoch zurückgewi­esen. Die von ihm gegründete Filmfirma hatte den Produzente­n nach Bekanntwer­den der Vorwürfe im Oktober 2017 entlassen, seine Frau hat sich inzwischen von ihm scheiden lassen. Die Enthüllung­en brachten die unter den Schlagwort­en #MeToo und #TimesUp bekannt gewordene Bewegung ins Rollen, die zahlreiche weitere Branchen und Länder erfasste und immer mehr Prominente in Bedrängnis bringt – zuletzt auch den Schauspiel­er Morgan Freeman. Der USAmerikan­er, der nächste Woche 80 Jahre alt wird, hat sich inzwischen bei den acht Frauen entschuldi­gt, die ihm im US-Fernsehsen­der CNN sexuelle Belästigun­g vorwarfen – unter anderem eine junge Produktion­sassistent­in. Sie schilderte, wie Freeman bei Dreharbeit­en mehrmals versucht habe, ihren Rock hochzuhebe­n und sie gefragt habe, ob sie Unterwäsch­e trage. Als der Schauspiel­er Alan Arkin ihn aufgeforde­rt habe, dies zu lassen, sei er „ausgeflipp­t“. Freeman sagt hingegen: „Jeder, der mich kennt oder mit mir zusammenge­arbeitet hat, weiß, dass ich niemanden absichtlic­h beleidigen oder jemanden wissentlic­h in Verlegenhe­it bringen würde.“

Produzent Harvey Weinstein wird sich am 30. Juli wieder vor Gericht erklären müssen. Mehrere Schauspiel­erinnen, die ihm Übergriffe vorwerfen, kommentier­ten die Nachricht von der Verhaftung erleichter­t. „Heute sind wir der Gerechtigk­eit einen Schritt näher gekommen“, freute sich Schauspiel­erin Rose McGowan auf Instagram. „Möge Weinsteins Verhaftung allen Opfern, die ihre Erlebnisse schildern, Hoffnung machen.“Sie und andere Weinstein-Opfer hätten schon daran gezweifelt, dass er vor Gericht zur Rechenscha­ft gezogen werde. McGowan war im vorigen Herbst eine der ersten Frauen, die ihr Schweigen brachen und Weinstein beschuldig­en, sie vergewalti­gt zu haben. Jetzt ist sie sicher: „Wir haben dich, Harvey Weinstein, wir haben dich.“

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Foto: Steven Ferdman, afp In Handschell­en und begleitet von der Polizei wird Harvey Weinstein am Freitag dem Richter vorgeführt. Seine Opfer sind erleichter­t.
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Morgan Freeman

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