Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wenn Soldaten um Frieden beten
Glaube Am Sonntag werden an der kleinen Kapelle Maria im Elend mitten im Wald bei Baar wieder mehrere tausend Menschen erwartet. Es ist eine der größten Kameradenwallfahrten weit und breit. Warum das Thema heute aktuell ist
Baar Abgelegen und ruhig liegt die kleine Kapelle im Wald versteckt. Unweit des Landkreisdreiecks Augsburg, Aichach-Friedberg und Donau-Ries befindet sich der Wallfahrtsort Maria im Elend bei Baar. Im Mai ist es dort besonders schön und im Marienmonat kommen besonders viele Menschen an den idyllischen Ort zum Gebet. Mit der Stille wird es am Sonntag vorübergehend vorbei sein, wenn die alljährliche Kameraden- und Soldatenwallfahrt stattfindet: 95 Fahnenabordnungen aus der ganzen Region haben sich angekündigt. Eine lange Prozession zieht von Baar „ins Elend“. Mit Blasmusik und Böllerschützen danken die ehemaligen Soldaten der Muttergottes und gedenken der gefallenen Kameraden. Aber auch um Frieden wird gebetet.
„Unsere Kameraden- und Soldatenwallfahrt zählt heute zu den größten in ganz Bayern“, sagt Bürgermeister Leonhard Kandler aus Baar stolz. Zwischen 2000 und 3000 Menschen kommen. In den 1960er Jahren waren es sogar bis zu 10000. Damals lebten noch viele Soldaten, die für ihre Heimkehr aus dem Zweiten Weltkrieg dankten. Viele sind inzwischen gestorben. Rathauschef Kandler hat ein zusätzliches Amt: Er ist kommissarischer Vorsitzender des Kameraden- und Soldatenvereins – und organisiert die Wallfahrt mit. „Die Vorstandswahlen werden zeigen, wie es mit dem Verein weitergehen wird“, sagt Kandler nüchtern. Er hoffe aber, dass dessen Zukunft gesichert werden kann – und die Wallfahrt fester Bestandteil im Dorfleben und im Kalender bleibt.
Bereits zum 61. Mal findet der Bittgang in Baar statt. Ins Leben gerufen wurde der Pilgertag von Baarern, die gesund aus Krieg und Gefangenschaft heimgekehrt waren, berichtet Otmar Krumpholz aus Thierhaupten. Er ist der schwäbische Bezirksvorsitzende der Kameradenund Soldatenvereinigung (BKV). Aber auch ganz private von Soldaten zur Muttergottes im Elend sind bekannt: Ein Veteran aus Thierhaupten pilgerte bis zu seinem Lebensende an jedem Jahrestag seiner Heimkehr zu Fuß von Thierhaupten zur Wallfahrtskapelle. Heute lebt in Baar nur noch ein ehemaliger Soldat, der in den Weltkrieg ziehen musste. In Thierhaupten sind noch sechs Zeitzeugen am Leben – „schon sehr betagt“, so Krumpholz.
Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg wurden vielerorts Wallfahrten von Kriegsteilnehmern organisiert – so die Friedenswallfahrt zur Wallfahrtskirche St. Michael in Violau bei Altenmünster. Sie zählt zu den ältesten Kameradenwallfahrten in Bayern. All diesen Prozessionen ist laut Krumpholz bis heute eines gemeinsam: „Eine Soldatenwallfahrt ist immer ein öffentliches Bekenntnis für den Frieden.“
Mit dem diesjährigen Festprediger Dekan Thomas Pfefferer, der die Pfarreiengemeinschaft Altenmünster-Violau betreut, wird in Baar eine Brücke zur Friedenswallfahrt Violau geschlagen. Außerdem diente Pfefferer vor seinem Theologiestudium als Sanitätssoldat und hat damit auch einen persönlichen Bezug zu den Kameraden.
Dass die von den Baarer Soldaten ins Leben gerufene Wallfahrt so groß wurde, sei vor allem das Verdienst des langjährigen Vorsitzenden Josef Neff, berichtet Kandler. Vor mehr als 25 Jahren hatte Neff den Vorsitz übernommen und sich mit viel Herzblut für das Ereignis engagiert. Viele Baarer sind mit der Wallfahrt großgeworden. Bis heute zählt der Bittgang Ende Mai zum Höhepunkt im Dorfleben. So mancher Hausbesitzer schneidet vor dem großen Tag noch schnell die Hecken und fegt den Gehsteig, damit alles sauber herausgeputzt ist, wenn die Pilger aus einem Umkreis von 50 Kilometern kommen.
Dass auch aktive Soldaten der Bundeswehr heute noch pilgern, weiß der frühere Oberstleutnant Ernst Schmidhuber von der GeWallfahrten meinschaft Katholischer Soldaten (GKS). Der 63-Jährige aus Pöcking am Starnberg vertritt die GKS im Diözesanrat des Bistums Augsburg. „Das Beten zur Muttergottes ist nicht explizit soldatisch, sondern einfach nur katholisch: Soldaten beten zur Muttergottes, um deren Schutz zu erhalten.“Es verwundere ihn auch nicht, dass in der Wallfahrtskapelle Maria im Elend in der Vergangenheit bereits Bundeswehreinheiten gesichtet wurden.
Er verweist zudem auf die vielleicht bekannteste Wallfahrt von Soldaten: Sie führt nach Lourdes in Südfrankreich. Bis zu 50 Nationen und mehrere Tausend Menschen strömen bei der jährlichen Pilgerfahrt zur Mariengrotte. Schmidhuber war selbst bereits mehrfach in Lourdes mit dabei. Und auch bei der Wallfahrt in Baar nahm er vor Jahren teil. Bei seinen Wallfahrten bete Schmidhuber nicht nur für die Gefallenen aus den beiden Weltkriegen, sondern gedenkt auch der gefallenen Soldaten der Bundeswehr. Seit 1992 kamen bei Auslandseinsätzen bereits über 100 Bundeswehrangehörige ums Leben. „Die jungen Burschen darf man nicht vergessen“, so Schmidhuber.