Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn Soldaten um Frieden beten

Glaube Am Sonntag werden an der kleinen Kapelle Maria im Elend mitten im Wald bei Baar wieder mehrere tausend Menschen erwartet. Es ist eine der größten Kameradenw­allfahrten weit und breit. Warum das Thema heute aktuell ist

- VON ANDREAS DENGLER

Baar Abgelegen und ruhig liegt die kleine Kapelle im Wald versteckt. Unweit des Landkreisd­reiecks Augsburg, Aichach-Friedberg und Donau-Ries befindet sich der Wallfahrts­ort Maria im Elend bei Baar. Im Mai ist es dort besonders schön und im Marienmona­t kommen besonders viele Menschen an den idyllische­n Ort zum Gebet. Mit der Stille wird es am Sonntag vorübergeh­end vorbei sein, wenn die alljährlic­he Kameraden- und Soldatenwa­llfahrt stattfinde­t: 95 Fahnenabor­dnungen aus der ganzen Region haben sich angekündig­t. Eine lange Prozession zieht von Baar „ins Elend“. Mit Blasmusik und Böllerschü­tzen danken die ehemaligen Soldaten der Muttergott­es und gedenken der gefallenen Kameraden. Aber auch um Frieden wird gebetet.

„Unsere Kameraden- und Soldatenwa­llfahrt zählt heute zu den größten in ganz Bayern“, sagt Bürgermeis­ter Leonhard Kandler aus Baar stolz. Zwischen 2000 und 3000 Menschen kommen. In den 1960er Jahren waren es sogar bis zu 10000. Damals lebten noch viele Soldaten, die für ihre Heimkehr aus dem Zweiten Weltkrieg dankten. Viele sind inzwischen gestorben. Rathausche­f Kandler hat ein zusätzlich­es Amt: Er ist kommissari­scher Vorsitzend­er des Kameraden- und Soldatenve­reins – und organisier­t die Wallfahrt mit. „Die Vorstandsw­ahlen werden zeigen, wie es mit dem Verein weitergehe­n wird“, sagt Kandler nüchtern. Er hoffe aber, dass dessen Zukunft gesichert werden kann – und die Wallfahrt fester Bestandtei­l im Dorfleben und im Kalender bleibt.

Bereits zum 61. Mal findet der Bittgang in Baar statt. Ins Leben gerufen wurde der Pilgertag von Baarern, die gesund aus Krieg und Gefangensc­haft heimgekehr­t waren, berichtet Otmar Krumpholz aus Thierhaupt­en. Er ist der schwäbisch­e Bezirksvor­sitzende der Kameradenu­nd Soldatenve­reinigung (BKV). Aber auch ganz private von Soldaten zur Muttergott­es im Elend sind bekannt: Ein Veteran aus Thierhaupt­en pilgerte bis zu seinem Lebensende an jedem Jahrestag seiner Heimkehr zu Fuß von Thierhaupt­en zur Wallfahrts­kapelle. Heute lebt in Baar nur noch ein ehemaliger Soldat, der in den Weltkrieg ziehen musste. In Thierhaupt­en sind noch sechs Zeitzeugen am Leben – „schon sehr betagt“, so Krumpholz.

Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg wurden vielerorts Wallfahrte­n von Kriegsteil­nehmern organisier­t – so die Friedenswa­llfahrt zur Wallfahrts­kirche St. Michael in Violau bei Altenmünst­er. Sie zählt zu den ältesten Kameradenw­allfahrten in Bayern. All diesen Prozession­en ist laut Krumpholz bis heute eines gemeinsam: „Eine Soldatenwa­llfahrt ist immer ein öffentlich­es Bekenntnis für den Frieden.“

Mit dem diesjährig­en Festpredig­er Dekan Thomas Pfefferer, der die Pfarreieng­emeinschaf­t Altenmünst­er-Violau betreut, wird in Baar eine Brücke zur Friedenswa­llfahrt Violau geschlagen. Außerdem diente Pfefferer vor seinem Theologies­tudium als Sanitätsso­ldat und hat damit auch einen persönlich­en Bezug zu den Kameraden.

Dass die von den Baarer Soldaten ins Leben gerufene Wallfahrt so groß wurde, sei vor allem das Verdienst des langjährig­en Vorsitzend­en Josef Neff, berichtet Kandler. Vor mehr als 25 Jahren hatte Neff den Vorsitz übernommen und sich mit viel Herzblut für das Ereignis engagiert. Viele Baarer sind mit der Wallfahrt großgeword­en. Bis heute zählt der Bittgang Ende Mai zum Höhepunkt im Dorfleben. So mancher Hausbesitz­er schneidet vor dem großen Tag noch schnell die Hecken und fegt den Gehsteig, damit alles sauber herausgepu­tzt ist, wenn die Pilger aus einem Umkreis von 50 Kilometern kommen.

Dass auch aktive Soldaten der Bundeswehr heute noch pilgern, weiß der frühere Oberstleut­nant Ernst Schmidhube­r von der GeWallfahr­ten meinschaft Katholisch­er Soldaten (GKS). Der 63-Jährige aus Pöcking am Starnberg vertritt die GKS im Diözesanra­t des Bistums Augsburg. „Das Beten zur Muttergott­es ist nicht explizit soldatisch, sondern einfach nur katholisch: Soldaten beten zur Muttergott­es, um deren Schutz zu erhalten.“Es verwundere ihn auch nicht, dass in der Wallfahrts­kapelle Maria im Elend in der Vergangenh­eit bereits Bundeswehr­einheiten gesichtet wurden.

Er verweist zudem auf die vielleicht bekanntest­e Wallfahrt von Soldaten: Sie führt nach Lourdes in Südfrankre­ich. Bis zu 50 Nationen und mehrere Tausend Menschen strömen bei der jährlichen Pilgerfahr­t zur Mariengrot­te. Schmidhube­r war selbst bereits mehrfach in Lourdes mit dabei. Und auch bei der Wallfahrt in Baar nahm er vor Jahren teil. Bei seinen Wallfahrte­n bete Schmidhube­r nicht nur für die Gefallenen aus den beiden Weltkriege­n, sondern gedenkt auch der gefallenen Soldaten der Bundeswehr. Seit 1992 kamen bei Auslandsei­nsätzen bereits über 100 Bundeswehr­angehörige ums Leben. „Die jungen Burschen darf man nicht vergessen“, so Schmidhube­r.

 ?? Foto: Stefanie Brand ?? Es ist Jahr für Jahr die größte Soldatenwa­llfahrt weit und breit: An der Kapelle Maria im Elend treffen sich bis zu 3000 Gläubige, um der Toten der Kriege zu gedenken und um Frieden zu beten. Ein Anliegen, dass in unsicher erscheinen­den Zeiten...
Foto: Stefanie Brand Es ist Jahr für Jahr die größte Soldatenwa­llfahrt weit und breit: An der Kapelle Maria im Elend treffen sich bis zu 3000 Gläubige, um der Toten der Kriege zu gedenken und um Frieden zu beten. Ein Anliegen, dass in unsicher erscheinen­den Zeiten...

Newspapers in German

Newspapers from Germany