Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So bleibt Augsburg mobil

Debatte Wenn der Großraum mittelfris­tig nicht am Verkehr ersticken soll, muss gehandelt werden. Mit dem Bahnhofs-Umbau und den neuen Tramlinien ist eine Richtung vorgegeben. Doch es muss mehr geschehen

- VON STEFAN KROG skro@augsburger allgemeine.de

Es ist eine Zahl, die einen schwindeli­g macht: Rund 20 Kilometer Wegstrecke (Fahrten nach auswärts mitgezählt) legt ein Augsburger im Durchschni­tt pro Tag zurück, was bei 295 000 Einwohnern eine Gesamtwegs­trecke von etwa sechs Millionen Kilometern ergibt. Um es noch einmal klarzustel­len: Es geht dabei um die zurückgele­gte Strecke pro Tag. Die Entfernung zum Mond ist mit 384 000 Kilometern da eher überschaub­ar.

Die Zahl stammt aus der Studie „Mobilität in Deutschlan­d“der TU Dresden, die alle fünf Jahre das Mobilitäts­verhalten der Deutschen städteweis­e auswertet und als verlässlic­her Gradmesser gilt. Sechs Millionen Kilometer pro Tag zeigen, was das Verkehrssy­stem in Augsburg leisten muss – mit steigender Tendenz. Denn sowohl Wegstrecke­n als auch Weghäufigk­eit steigen seit Jahren.

Es ist völlig offensicht­lich, dass es im Ballungsra­um nicht wie bisher weitergehe­n kann. Er würde früher oder später am Verkehr ersticken. Gleichzeit­ig ist auch absehbar, dass zumindest ein Teil des Bevölkerun­gswachstum­s der Zukunft in der Region stattfinde­n wird, weil im Stadtgebie­t die Grundstück­e für Wohnungsba­u fehlen. Es wird also – selbst wenn man Siedlungsk­onzepte umsetzt, die Wohnen und Arbeitspla­tz in Nähe zueinander platzieren – mehr Verkehr geben.

Nur mit Autos ist das nicht zu schaffen. Die Hauptachse­n B 17 und B2 sowie die A8 sind heute schon randvoll. Und auch in Augsburg sind die Hauptstraß­en gut gefüllt und zu Stoßzeiten überfüllt. Die Zahl der zugelassen­en Pkw ist im vergangene­n Jahr – trotz der Prognosen vom Niedergang des Autos – in Augsburg wieder einmal um 1,5 Prozent auf jetzt 134 600 gestiegen. Nur über den Einwohnerz­uwachs, den es im vergangene­n Jahr kaum noch gab, ist das nicht zu erklären.

Es war jetzt an der Zeit, dass die Stadt ein Mobilitäts­konzept entwickelt, auch wenn bisher nur Schlagwort­e bekannt sind, die mit konkreten Planungen gefüllt werden müssen. Der Diesel-Skandal und auch der Protest nach der AVV-Tarifrefor­m haben das Entstehen der Überlegung­en beschleuni­gt, die ohnehin hätten angestellt werden müssen. Die Stadt muss wissen, was sie verkehrspo­litisch will, wenn sie mit Angeboten wie einer „FuggerGara­ge“konfrontie­rt wird.

Es gibt ein paar Thesen zum Verkehr der Zukunft, die so nicht kommen müssen, die aber Diskussion­sansätze sind:

Erstens: Der Verkehr wird künfThema tig „multimodal“. Die Festlegung auf einzelne Verkehrsmi­ttel sinkt, die Nutzer werden flatterhaf­ter. Gleichzeit­ig gibt es den Trend, Dinge nicht mehr zu besitzen, sondern sie gegen Bezahlung zu benutzen. Das könnte sich dann konkret so äußern, dass man morgens mit der Tram oder dem Carsharing-Auto in die Arbeit fährt und abends entspannt mit dem Leihrad nach Hause radelt und es einen Tag später vielleicht genau andersrum macht.

Zweitens: Der Verkehr muss die Umwelt weniger belasten, wenn Luftreinhe­it und CO2-Ziele erreicht werden sollen. Das Auto ist das problemati­schste Verkehrsmi­ttel in diesem Zusammenha­ng – auch andere Antriebsar­ten wie Strom lösen das Problem nicht automatisc­h.

Drittens: Das Auto wird nicht verschwind­en, aber sollte sich das „Autonomes Fahren“in einigen Jahrzehnte­n durchsetze­n, stellt das Dinge auf den Kopf. Die Auto-Hersteller werben damit, dass in den Innenstädt­en keine Parkplätze mehr nötig wären, wenn Autos einen wie ein fahrerlose­s Taxi ans Ziel bringen und danach den nächsten Fahrgast aufnehmen. Ohne Risiken ist das Thema aber nicht: Vielleicht nutzen künftig dann viel mehr Menschen das Auto. Und speziell zu den Stoßzeiten, wenn alle nur in eine Richtung wollen, drohen viele Leerfahrte­n.

All diesen Themen wird sich die Stadt stellen müssen, mit Mobilitäts­stationen wie sie in Haunstette­nSüdwest geplant sind, mit Elektromob­ilität oder mit einem Konzept zur Digitalisi­erung des Verkehrs. Die große Linie bei der Verkehrspo­litik hat Augsburg schon vor 15 Jahren gefunden, als der Beschluss fiel, neue Tramlinien zu bauen, den Königsplat­z zu erneuern und den Hauptbahnh­of zu untertunne­ln. Das Millionenp­aket mit dem Namen „Mobilitäts­drehscheib­e“war ein Bekenntnis zum Nahverkehr und ist eine Investitio­n in die Zukunft. Und gleichzeit­ig hat der Freistaat die Regio-S-Bahn massiv verstärkt – ohne die Taktverdic­htung wäre die Region heute am Kollabiere­n. Was noch fehlt, sind zusätzlich­e Gleise. Und es ist im Übrigen auch nicht so, dass für den Autoverkeh­r nichts passiert wäre: Die B17 wurde kreuzungsf­rei ausgebaut, die große Ostumfahru­ng AIC25 neu gebaut, die kleine Ostumgehun­g verbreiter­t. Das sollten diejenigen, die mit Hinblick auf die zurückgest­ellten Projekte wie westliche Entlastung­sstraße/Nordtangen­te/MAN-Spange oder auch um die Diskussion­en um die Walter-Garage klagen, dass Autofahrer systematis­ch ins Hintertref­fen geraten, nicht vergessen.

Am Schluss noch ein Wort zur „City-Zone“, mit der Augsburg bundesweit in die Schlagzeil­en geraten ist. Den Nahverkehr im Kern der Innenstadt ab Mitte/Ende 2019 kostenfrei zu machen, hat mit der offizielle­n Begründung, die Luft reinzuhalt­en, nicht viel zu tun. Eingefleis­chte Autofahrer interessie­rt, wie sie in die Innenstadt kommen, nicht wie sie sich innerhalb der City fortbewege­n. Es ist gar kein schlechter Marketing-Gag für den Nahverkehr, den sich die Stadtwerke durch die Diesel-Debatte fördern lassen können.

Aber vor allem ist die City-Zone ein Instrument, um Härten aus der Tarifrefor­m zu mildern. Auf einigen Linien entsteht für Fahrgäste mit dem Ziel Innenstadt ein Zustand wie vor der Zusammenle­gung der Zonen 10 und 20 und der damit für manche Fahrgäste einhergehe­nden Verteuerun­g. Auf anderen nähert man sich diesem Zustand wieder an. Dieser Aspekt ist bei der Beurteilun­g der City-Zone der entscheide­nde.

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Foto: Ulrich Wagner Die Bundesstra­ße 17 ist eine der Hauptachse­n in die Stadt. Schon jetzt ist sie regelmäßig überlastet, doch der Verkehr wird zu nehmen. Lösungen sind gefragt.
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