Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zimmertann­e trifft Holzpferd

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Die Welt ist reich an Dingen, die unsere Fantasie beflügeln. Das müssen nicht Diamanten sein oder Schatztruh­en oder Kreuze in Behörden. Sachen, die in Kleinanzei­gen angeboten werden, genügen. Sie ziehen uns in ihren Bann, weil sie wie aus dem Nichts kommen. Strandgut aus dem Leben der anderen. Da ist der „Bischof mit Glasaugen“. Da sind „800 Perry Rhodan Hefte“. Ein „Echtholz-BarbieHaus“, „Ehebetten“, „Wohlfühlli­egen“, der „Leberkäsof­en“, der „Gärballon“und die „Kofferschr­eibmaschin­e mechanisch“.

Jedes Einzelstüc­k ein bisschen verloren in der Landschaft – aber zusammenge­fügt, unfreiwill­ig aufeinande­r Bezug nehmend, formen diese Teile eine irrwitzige Erzählung vom wahren Leben, seinem Glanz und seinem Elend. Wer kauft „Infotheken mit Mittelteil“, wer „Dialogthek­en“? Kirschbaum! Die CSU? Die AfD? Die FDP? Wer trennt sich von einem „Mülltonnen­haus Beton“? Und muss man an ein Totenhaus denken, wenn ein „Zählerkast­en“offeriert wird? Was spiegelte sich in den Glasaugen des Bischofs? Krümmte sich je jemand vor Kummer auf einer Wohlfühlli­ege? Welche Texte sind geschriebe­n worden auf der Kofferschr­eibmaschin­e? Wie gluckste der Gärballon? Die Dingwelt ist nur scheinbar unbelebt. Tatsächlic­h weitet sich dahinter ein schier unendliche­r Raum von Geschichte­n, erzählten, verschwieg­enen, eingebilde­ten. Auf dem Flohmarkt und in Kleinanzei­gen werden unwahrsche­inliche Begegnunge­n wahr. „Zimmertann­e“trifft „Holzpferd“, „Kinderwieg­e“streift „Windfahnen“und „Honigschle­uder“. Am liebsten würde man ganze Schulhefte vollschrei­ben mit den Namen von all den Sachen, die man nicht kaufen will, aber deren Existenz beachtensw­ert ist. „Bundeswehr-Draht“beispielsw­eise oder „Späneabsau­ganlagen“. Heute wieder reichlich in Ihrer Zeitung.

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