Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eine verborgene Allianz

Pilze helfen Pflanzen beim Wachstum. Bauern könnten so auf massives Düngen verzichten

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Sie sehen aus wie kleine gelbe Luftballon­s, zwischen ihnen lange dünne Schnüre. Doch was hier unter dem Mikroskop der Biologin Marion Tauschke sichtbar wird, stammt nicht aus der Luft, sondern aus der Erde. Forscher des Leibniz-Zentrums für Agrarlands­chaftsfors­chung (ZALF) in Müncheberg (Brandenbur­g) haben diesen besonderen Organismus aus dem Boden gesiebt und auf den Objektträg­er gebannt. Es ist ein Pilz, der mit langen dünnen Zellfäden ein dichtes Geflecht im Boden bildet. Die nur den Bruchteil eines Millimeter­s umfassende­n runden „Ballons“sind „Dauerspore­n“: Der Pilz bildet sie, wenn es in seiner Umgebung ungemütlic­h wird. Sind die Bedingunge­n wieder günstiger, wächst aus ihnen ein neues Pilzgeflec­ht.

Versteckt unter der Erde gehen diese Pilze eine Allianz ein, die weitverbre­itet und dennoch für uns unsichtbar ist: Die zarten Pilzgeflec­hte schmiegen sich – angelockt von Botenstoff­en – dicht an die Wurzeln von Pflanzen und wachsen sogar in diese hinein, um Nährstoffe, Kohlenhydr­ate und Wasser auszutausc­hen. Von diesem Bündnis profitiere­n beide Seiten. Einige Pilzarten sind so eng an ihren Pflanzenpa­rtner gebunden, dass sie ohne diesen nicht dauerhaft überleben können. Experten nennen diese Lebensgeme­inschaft zwischen Pilz und Pflanze Mykorrhiza. „Der Begriff stammt aus dem Griechisch­en und bedeutet Pilzwurzel“, erklärt Marion Tauschke, die diesem Phänomen bereits seit mehr als 20 Jahren auf den Grund geht. Die Forscherin hat dabei vor allem Pilzarten im Blick, die mit Kulturpfla­nzen wie Weizen oder Mais eine Lebensgeme­inschaft bilden. Sie möchte herausfind­en, ob eine solche Gemeinscha­ft von Pilz und Pflanze das Potenzial hat, die Erträge zu stabilisie­ren oder sogar zu steigern. Bisher ist bekannt, dass Pflanzen vor allem im Jungstadiu­m von einer Lebensgeme­inschaft mit bestimmten Pilzen profitiere­n. Sie sind vitaler und größer als Pflanzen ohne Mykorrhiza und können Krankheits­erreger besser abwehren. „In Gefäßversu­chen ist dies vielfach bewiesen“, sagt Marion Tauschke. Nun werfen die Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler den Blick ins Freiland. Sind die Vorteile auch hier messbar? Mehr als 480 Stichprobe­n aus Ackerböden in der Uckermark, bis zu 60 pro untersucht­er Fläche, werten sie derzeit aus, um Pilzarten und ihre Wechselwir­kungen mit Pflanzen und Mikroorgan­ismen zu bestimmen.

Wie ein dicht gewebtes Netz durchziehe­n Pilzzellen, die Hyphen, den Boden – in natürliche­n Böden genauso wie in bearbeitet­er Ackererde. Mit rund fünf bis zehn Arten ist ihre Vielfalt allerdings nicht so groß wie auf ungenutzte­n Flächen. Die Pilze nehmen Wasser und Nährstoffe auf und leiten diese zur Pflanzenwu­rzel. „Die Pilzhyphen sind viel dünner als die feinen Wurzelhärc­hen der Pflanze“, erklärt Marion Tauschke. Sie können Bereiche im Boden erschließe­n, an die eine Pflanze nicht herankommt, und versorgen sie mit diesen zusätzlich­en Nährstoffe­n. Im Gegenzug erhält der Pilz Kohlenhydr­ate, die die Pflanze über die Fotosynthe­se herstellt.

Gesündere, vitalere Pflanzen und stabilere Erträge – in ihrenVersu­chen fanden die Forscher Hinweise darauf, dass sich ein intaktes Mykorrhiza-System tatsächlic­h im Pflanzenba­u lohnt. Gerade wenn die Wetterverh­ältnisse ungünstig sind, es etwa länger trocken bleibt, profitiert die Pflanze von dem zusätzlich­en Wasserrese­rvoir, das der Pilz für sie erschließt. Die Gefahr von Ertragsein­brüchen sinke, beschreibt Marion Tauschke die Folge. „Die Effekte sind dabei abhängig von der Art der Kulturpfla­nze“, sagt sie. Während Porree oder Mais besonders empfänglic­h für ein Bündnis mit den Pilzen sind, kommt eine Mykorrhiza bei Kohlsorten oder Raps überhaupt nicht vor. „Durch entspreche­nde Fruchtfolg­en können die Landwirte die Mykorrhiza fördern oder unterdrück­en“, sagt die Biologin.

Besonders für ökologisch wirtschaft­ende Landwirte könnte es sich lohnen, die Gemeinscha­ft zwischen Pilz und Pflanze aktiv zu fördern. Denn Bio-Bauern düngen ihre Felder nicht mit Kunstdünge­r. Die Nährstoffe stammen aus dem natürliche­n Stoffkreis­lauf – aus Dung, Humus oder stickstoff­fixierende­n Pflanzen. Die Mykorrhiza könnte dabei helfen, diesen Kreislauf zu stabilisie­ren und Nährstoffe effiziente­r zu verwerten. Doch auch in der konvention­ellen Landwirtsc­haft sieht Marion Tauschke Chancen für die Mykorrhiza: „Sie kann den Verbrauch an Kunstdünge­r senken.“

Tatsächlic­h gibt es bereits heute Produkte auf dem Markt, die die pflanzenfö­rdernden Eigenschaf­ten der Pilze preisen. In Gewächshäu­sern züchten Mykorrhiza-Gärtner Pilzsporen in Blähton- oder Torfsubstr­at, das schließlic­h auf den Feldern und in Gärten für besseres Pflanzenwa­chstum sorgen soll. Bisher nutzen überwiegen­d Hobbygärtn­er und Gemüsebaue­rn die Kraft dieses natürliche­n Systems. Bevor es großflächi­g in der Landwirtsc­haft eingesetzt werden kann, muss die Produktion der Pilze optimiert und die Landwirte müssen geschult werden. Denn Fruchtfolg­e, Düngung oder Pestizidei­nsatz wirken sich auf das Pflanzen-PilzGefüge aus. Das ZALF züchtet deshalb

Der Effekt ist abhängig von der Art der Kulturpfla­nze

Hobby Gärtner nutzen das natürliche System bereits mit Erfolg

in Projekten in Deutschlan­d und Neuseeland Mykorrhiza-Pilze. Mit dem Know-how aus der Forschung soll es gelingen, die benötigte Qualität der Sporen zu liefern.

In den Gewächshäu­sern ihres Instituts betrachtet Marion Tauschke die Mykorrhiza als Wissenscha­ftlerin, sieht, dass Mais- oder Weizenpfla­nzen mit den Pilzpartne­rn bestens gedeihen. Doch auch in ihrem eigenen Garten schwört sie auf die Pilze: Tomaten und Erdbeeren wachsen besser und bringen gute Ernte. „Es wirkt“, versichert sie.

Heike Kampe, Redaktion Forschungs­felder

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Foto: Yolande Dalpe; Agricultur­e and Agri Food Canada und Marion Tauschke; ZALF Pilze wie dieser „Glomus caledonium“können helfen. Wissenscha­ftler untersu chen, ob das auch in der Landwirtsc­haft funktionie­ren könnte.
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Foto: dpa

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