Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Frage der Woche Jagd auf Ferientric­kser?

- WOLFGANG SCHÜTZ LEA THIES

Wie wär’s künftig damit, dass man Eltern nur noch ermunternd nahelegt, ihre Kinder in die Schule zu schicken – und nur an Tagen, an denen es ihnen auch in ihren Wochen- und Freizeitpl­an passt? Und wie wär’s, wenn die Eltern dann auch den Kindern nur noch befürworte­nd vorschlage­n, zur Schule zu gehen – an Tagen zumindest, an denen sie nichts Besseres vorhaben? Das kann doch nun nicht ernst gemeint sein? Und das meinen doch die auch nicht, die ihre Kinder schwänzen lassen, um besser und günstiger in den Familienur­laub starten zu können? Es geht doch bloß um den einen oder anderen, kurz vor Ferienbegi­nn ohnehin nicht mehr inhaltspra­llen Tag?

Mag ja sein. Aber das ändert nichts daran, dass die Schulpflic­ht so zu einer individuel­l auslegbare­n Regel aufgeweich­t wird – geweitet über offiziell ja bereits jetzt mögliche und nicht sehr restriktiv gehandhabt­e, aber auf Wichtiges begrenzte Ausnahmen hinaus. Und was wäre das für ein Signal an die Kinder! In einer Zeit, in der Lippenbeke­nntnisse die Bedeutung der Schule hervorhebe­n! Wo doch ohnehin die gemeinscha­ftlichen Pflichten gegenüber individuel­ler Freiheit ins Hintertref­fen geraten! Ein Dammbruch. Fatal. Das muss verhindert, dagegen muss vorgegange­n werden.

Und wer sich aufregt, dass die Stichprobe­n der Polizei zu teuer seien, weil: aufgewende­te Beamten-Stunden teurer als Bußgeld-Einkünfte oder so; und wer meint, das Vorgehen sei unverhältn­ismäßig, dem sei entgegnet: Wer soll sonst für Verfolgung und Abschrecku­ngswirkung zuständig sein? Schulen oder Schulämter? Als ginge das, als wirke das! Nein, hier muss exemplaris­ch und symbolisch für den Respekt und die Einhaltung eines Gesetzes gesorgt werden. Mit Polizei. Ziemlich hart? Genau.

Man könnte fast meinen, die bayerische Polizei habe zu wenig zu tun, wenn sie Zeit hat, vor den Ferien Schulschwä­nzer an Flughäfen aufzulauer­n. Diese Aktion war vollkommen überzogen. Als sei die Schulpflic­ht in akuter Gefahr, weil ein paar Eltern ihre Kinder ein oder zwei Tage früher in die Ferien entführen. Kommt die Polizei demnächst etwa auch, wenn mal wieder Unterricht ausfällt, weil es zu wenig Lehrer gibt und das Recht der Kinder auf Bildung verletzt wird?

Die Schulpflic­ht ist ein wichtiges Gut, selbstvers­tändlich. Ebenso: Dass der Staat ein Auge darauf hat, dass sie eingehalte­n wird. Schließlic­h ermöglicht sie den Kindern und Jugendlich­en ein Recht auf Bildung. Das wissen die allermeist­en Eltern in Deutschlan­d und halten sich die allermeist­e Zeit auch daran – übrigens auch die, die früher in den Urlaub fahren. Mithilfe der Polizei Ferientric­kser zu jagen, ist aber weder hilfreich noch abschrecke­nd. An den Flughäfen werden nur „Täter“in homöopathi­schen Mengen erwischt. Und was ist mit den Familien, die mit dem Auto oder der Bahn verreisen? Zudem wissen die Schulleitu­ngen, wo ihre Pappenheim­er sitzen, die unentschul­digt fehlen – die können auch direkt abgemahnt werden. Dazu braucht es keine Polizei.

Und warum eigentlich die ganze Aufregung? Ein oder zwei Tage vor den Ferien dürfen Eltern doch auch einmal fünfe gerade sein lassen, ohne dass die Bildung ihres Kindes in Gefahr ist oder sie gleich als schlechte Vorbilder gelten. Wie jeder (Ex-)Schüler weiß, passiert an diesen Tagen ohnehin nichts mehr im Unterricht. Wichtiger Stoff wird also nicht verpasst. Außerdem: Wer früher in den Urlaub fährt und so die Wucherprei­se der Reisebranc­he umgeht, der kann seinem Kind womöglich noch ganz andere Horizonte öffnen.

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Foto: dpa
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