Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ideen für die Pflege

Interview mit neuem Heimleiter

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Stadtberge­n Die Menschen werden immer älter, und viele von ihnen brauchen Hilfe. Doch der Mangel an Fachkräfte­n im Bereich der Altenpfleg­e ist bekannt. Da ist guter Rat teuer. Einer, der sich viele Gedanken über das Thema macht, ist Anton Kreuzer. Der 59-Jährige ist der neue Leiter des Pflegeheim­s Schlößle in Stadtberge­n. Er folgt damit Cornelia Geppert, die sich beruflich verändert. In der Einrichtun­g kümmern sich insgesamt 54 Pflegekräf­te und 22 ehrenamtli­che Helfer um derzeit 75 Bewohner.

In einem Interview schildert er seine Überlegung­en, wie die Pflege der Zukunft aussehen sollte und wie man neues Personal finden könnte.

Stadtberge­n Schwierige Felspassag­en beim Bergsteige­n zu bezwingen erinnert ihn an die Arbeit: Auch in Heimen gibt es immer wieder Herausford­erungen, die gemeistert werden wollen. Wie die Felsen in der Branche aussehen und welchen Weg er einschlägt, verrät Anton Kreuzer im Interview. Der 59-jährige Vater von fünf erwachsene­n Kinder, der in der Nähe von Kaufbeuren wohnt, ist neuer Leiter des Pflegeheim­s Schlößle in Stadtberge­n. Er folgt damit Cornelia Geppert, die sich beruflich verändert. In der Einrichtun­g kümmern sich insgesamt 54 Pflegekräf­te und 22 ehrenamtli­che Helfer um derzeit 75 Bewohner.

Wie sind Sie zur Pflege gekommen? Anton Kreuzer: Über den Zivildiens­t nach dem Abitur. Aber eigentlich hatte ich einen ganz anderen Plan.

Welchen?

Kreuzer: Ich wollte in die Entwicklun­gshilfe. Um Entwicklun­gshelfer zu werden, war damals aber eine verpflicht­ende Lehre notwendig. Die Landwirtsc­haft bot sich an, meine Eltern hatten ja einen Hof. Dann hieß es, dass der schnellste Weg über die Krankenpfl­ege führt. Drei Jahre dauert es bis zum Examen. Also wurde ich Krankenpfl­eger.

Was wurde aus den Auslandspl­änen? Kreuzer: Da kam dann meine Familie dazwischen.

Haben Sie die Pläne endgültig begraben? Wohin zieht es sie noch? Kreuzer: Mein bester Schulfreun­d lebt in Neuseeland. Dorthin will ich noch einmal ausgiebig reisen. Was ich aber noch angehe: Ich mache gerade die Ausbildung zum Bergexerzi­tienführer. Als Allgäuer zieht es mich natürlich in die Berge.

Was heißt das?

Kreuzer: Man startet mit einem Impuls, begleitet Menschen im Gespräch: Menschen, für die es zum Beispiel gerade im Beruf oder in der Partnersch­aft schwierig ist.

Was ist ihr Lieblingsz­iel?

Kreuzer: Der Tegelberg. Der liegt und hat Routen in verschiede­nen Schwierigk­eitsstufen. Dorthin nehme ich dann auch gerne Leute mit, die sich mehr zutrauen.

Jetzt sind Sie in der Stadt Stadtberge­n gelandet. Dort gibt es keinen Gipfel. Macht das einem Allgäuer nicht zu schaffen?

Kreuzer: Nein. Was mir sehr gut gefällt: Hier gibt es einen sehr gepflegten Park. Ich habe daheim auch ein kleines Waldgrunds­tück, das ich mit Mischwald wieder aufforste – das ist fast schon eine Liebhabere­i.

Wie sind Sie überhaupt auf Stadtberge­n gekommen?

Kreuzer: Ausschlagg­ebend waren die beiden Diakonie-Vorstände, die mir im Vorstellun­gsgespräch als reife und kompetente Führungskr­äfte erschienen sind. Das war der Grund für meinen Wechsel. Ich arbeite gerne und ich arbeite viel, brauche aber auch eine kreative Atmosphäre mit Entscheidu­ngskompete­nzen. Es hat sich bewahrheit­et: Das Schlößle ist ein Glücksfall. Die Stadtberge­r ste- hen zu der Einrichtun­g, es gibt viele Angehörige in der Nähe. Das macht die Bewohner nicht so einsam wie in anderen Heimen.

Was wird Ihre Hauptaufga­be im Schlößle sein?

Kreuzer: Das ist das Problem der ganzen Pflege in Deutschlan­d: Gutes Personal finden und gutes Personal halten.

Aktuell sollen in Deutschlan­d rund 13 000 neue Stellen geschaffen werden. Insgesamt sind aber offenbar mehr als 30 000 Stellen unbesetzt. Wie geht das zusammen? Woher sollen diese vielen zusätzlich­en Arbeitskrä­fte denn kommen?

Kreuzer: Deutschlan­d ist in dieser Hinsicht fast schon kolonial. Viele Arbeitskrä­fte wurden aus Osteuropa geholt. Doch der Markt ist abgeräumt. Teilweise ist zu hören, dass jetzt um indonesisc­he Schwestern gestritten wird. Mein Freund aus Neuseeland sagt, dass die Schwestern von der Insel nach Australien gehen, weil es dort bessere Vernahe dienstmögl­ichkeiten gibt. Also wirbt Neuseeland um Schwestern von anderen Inseln. Das ist doch Wahnsinn, sich gegenseiti­g Pflegekräf­te von anderen Kulturkrei­sen zu stehlen. Das Problem sollte anders gelöst werden.

Und wie?

Kreuzer: Was sich gut bewährt hat: Menschen erst einmal zur Probe arbeiten lassen, damit sie selber erfahren, ob ihnen die Pflege liegt. Die Schweizer machen es uns vor: Pflegekräf­te sollen zuerst mit dem Herzen lernen. Menschen sollen in den Beruf hineinschm­ecken, dann erst geht es an die Fachkompet­enz.

Trotzdem braucht es erst einmal Bewerber.

Kreuzer: Potenzial sehe ich in der Teilzeitbe­schäftigun­g – vor allem Frauen nach der Familienph­ase. Früher dachte ich, dass die Gruppe schon zu alt ist. Aber diese Frauen haben in der Familienph­ase viele Kompetenze­n entwickelt. Die sind ja fast wie Manager. Das bestätigen auch die Schweizer. Trotzdem gibt es ein Problem.

Wie sieht das aus?

Kreuzer: Diese Frauen haben nach der langen Zeit oft Angst vor Prüfungen. Deswegen gehen sie auch oft in andere Berufe, bei denen keine Prüfungen mehr nötig sind.

Haben Sie eine Lösung?

Kreuzer: Man müsste den Frauen Sicherheit bieten. Und dafür müsste es Geld geben. In der Schweiz erhalten die Frauen während des Lernens mit dem Herzen schon ein gutes Gehalt. Aber man muss zum Vergleich sehen, was es tatsächlic­h kostet, jemanden aus Indonesien zu holen und wie lange es dauert, bis derjenige dann die sprachlich­en oder auch die kulturelle­n Kompetenze­n erworben hat.

Aber es gab doch schon entspreche­nde Vorstöße.

Kreuzer: Da ging es um Einmalzahl­ungen. Die ist schnell aufgebrauc­ht, auch steuerlich. Das Projekt mit den Teilzeitkr­äften will ich hier langsam angehen. Das Thema sollte auch von der Politik angegangen werden – statt weiter kolonial zu verfahren und sich Arbeitskrä­fte aus dem Ausland zu holen.

Wie viele Pflegekräf­te haben Sie? Kreuzer: 54 Vollzeitst­ellen und 22 ehrenamtli­che Helfer. Dieses bürgerlich­e Engagement ist etwas Besonderes, das ist ein ganz tolles Geschenk.

 ?? Foto: Andreas Lode ?? Anton Kreuzer leitet künftig das Pflegeheim Schlößle in Stadtberge­n. Das Bild zeigt ihn im Garten mit Gertrud Wagner, eine der 75 Bewohner.
Foto: Andreas Lode Anton Kreuzer leitet künftig das Pflegeheim Schlößle in Stadtberge­n. Das Bild zeigt ihn im Garten mit Gertrud Wagner, eine der 75 Bewohner.

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