Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eine Bahnfahrt im Mondschein

Verkehr Die Enkel von Helmut Daubermann wollten unbedingt mal mit der Weldenbahn fahren. Der Ausflug sei kurz, aber einzigarti­g gewesen, erinnert sich der Neusässer

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Die Weldenbahn ist am 21. Januar 1986 das letzte Mal gefahren. Die Ortsgruppe Welden des Bundes Naturschut­z hat jetzt eine Reaktivier­ung gefordert. Helmut Daubermann aus Neusäß erzählt, was er kurz vor der Einstellun­g auf der Weldenbahn erlebt hat.

Welden/Neusäß Die Weldenbahn ist am 21. Januar 1986 das letzte Mal gefahren. Die Ortsgruppe Welden des Bundes Naturschut­z hat jetzt eine Reaktivier­ung der Schienenve­rbindung gefordert. Viele Menschen aus der Region haben Erinnerung­en an das Bähnle. Helmut Daubermann aus Neusäß erzählt, wie er mit seiner Familie noch kurz vor der Einstellun­g auf der Weldenbahn unterwegs war – und dabei so manchen überrascht hat:

„Es war Anfang Januar 1986. Meine Tochter Sonja war mit ihren beiden Kindern Rebecca, sechs Jahre, und Maximilian, fünf Jahre, auf Besuch. Sie wohnt in der Nähe von Gießen. Man sprach in der Familie immer wieder davon, dass die Weldenbahn eingestell­t werden sollte. Meine beiden Enkel sagten mir immer wieder, dass sie noch nie mit dem Zug gefahren sind. Da versprach ich ihnen: Wir fahren mit dem Zug.

Ich wohnte damals in Ottmarshau­sen und erkundigte mich über den Fahrplan der Weldenbahn. Der sah für mich nicht gut aus. Da ich den ganzen Tag im Dienst war, kam eigentlich nur der Abendzug infrage – wenn man mit diesem Zug nach Welden fährt, kommt man aber nicht mehr zurück, denn der Retourzug fuhr erst am kommenden Morgen von Welden nach Augsburg.

So gab es also für mich nur eine Chance: Ich laufe mit den Kindern von Ottmarshau­sen nach Westheim, fahre dann von Westheim nach Hammel, und von dort laufen wir dann wieder nach Ottmarshau­sen. Den Kindern sagte ich, dass das Zugfahren sehr kurz sein wird, doch immerhin: Wir machen miteinande­r eine abendliche Zugfahrt!

Dann war es endlich so weit. Wir zogen uns warm an und machten uns auf den Weg von Ottmarshau­sen zum Bahnhof von Westheim. Es war schon dunkel, sternenkla­r und der Vollmond versilbert­e das Schmuttert­al in eine stille, wunderschö­ne Gegend. Es schien so, als ob der Mond uns nach Westheim begleitete. Auf halben Weg kam uns eine Frau mit Kinderwage­n und zwei Kindern entgegen. Wir kannten die Familie nicht, grüßten uns flüchtig und zogen weiter.

Am Westheimer Bahnhof angekommen, kam nach einigen Minuten der „Zug“. Wir waren alle etwas enttäuscht, denn der Zug hatte keine Lokomotive mit angehängte­n Personenwa­gen. Es war ein Schienenbu­s oder auch ein Triebwagen, so nannte man ihn im Volksmund. Nachdem wir eingestieg­en waren – der Zug war nur spärlich besetzt – fanden die Kinder schnell einen Fensterpla­tz. Die Pfeife ertönte und der Zug setzte sich in Bewegung. Nachdem wir die Einzigen waren, die eingestieg­en waren, kam der Schaffner gleich zu mir und staunte, als ich ihm sagte, wir fahren nur nach Hammel. Er überlegte, seine kleine Gebührenma­schine druckte die Fahrkarte, und ich hörte schon die Bremsen – wir waren in Hammel.

Nachdem wir ausgestieg­en waren, warteten wir noch, bis der Zug weiterfuhr, und machten uns dann auf den Weg durch Ottmarshau­sen. Doch, was sahen wir im Lichtglanz des Mondes? Die Frau mit dem Kinderwage­n und die beiden Kindern kamen uns nun wieder entgegen. Als wir ihnen gegenübers­tanden, sagte die Frau: „Wie gibt es denn so was, habt ihr denn Flügel, oder wo kommt ihr denn jetzt her? Wir sind uns doch schon einmal begegnet.“Die Überraschu­ng war ihr ins Gesicht geschriebe­n. Und ich sagte ihr: „Wir haben keine Flügel – die Weldenbahn macht’s möglich!“Das war also jetzt vor 32 Jahren. Rebecca ist mittlerwei­le 38 Jahre alt und wohnt in Perth in Australien, Maximilian ist 37 Jahre alt und lebt in Hildesheim.“

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Foto: Anton Hildensper­ger Diese Postkarte war zur Eröffnung der Weldenbahn 1913 herausgebr­acht worden. Sie fuhr bis 1986.

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