Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Helfen ist nicht immer gut
Ich kann ja gut verstehen, dass die beiden Kinder meiner Bekannten nicht bei uns (aus ihrer Perspektive öden und steinalten) Erwachsenen mit am Tisch sitzen wollten. Ich war ja auch schließlich von ihren Eltern zum Abendessen eingeladen worden und nicht von ihnen. Fair! Nur: Zwar aßen die zwei 17und 19-jährigen Youngsters nicht mit uns zu Abend, dennoch waren sie ständig anwesend und wollten etwas von ihren Eltern:
„Ich finde den Eierkocher nicht. Das nervt total. Wo soll ich denn noch überall suchen?“
„Wie soll ich denn meine Hausaufgaben ausdrucken? Kannst du mal schauen? Der blöde Drucker funktioniert schon wieder nicht.“
Wir konnten uns einfach nicht unterhalten, wurden dauernd unterbrochen, der Abend machte keinen Spaß. Es nervte.
Wenn Sie mal auf diese „Soll-ichFragen“geeicht sind, werden Sie sie überall bemerken. Nicht nur in privaten Beziehungen. Auch zwischen Chef und Mitarbeiter. Was daran so nervig ist: Mindestens die Hälfte der Fragen sind schon mal gestellt worden!
Das vordergründige Problem liegt beim Fragesteller, der sich in bequeme Hilflosigkeit begibt, anstatt das Gelernte dauerhaft zu verinnerlichen, um künftig den Problemtypus selber lösen zu können.
Das eigentliche Problem liegt bei demjenigen, der die „Soll-ich-Frage“beantwortet! Er begünstigt genau dieses Verhalten und zimmert so eine Abhängigkeit. Zu helfen und gebraucht zu werden fühlt sich gut an. Ich habe nicht das Geringste gegen solidarisches Helfen. Problematisch wird es aber dann, wenn es zum Dauerzustand wird. Kümmerer produzieren Verkümmerte!
Mein Vorschlag: Wenn Ihnen mal wieder eine solche „Soll-ichFrage“gestellt wird, versuchen Sie eine kurze Denkpause einzulegen, bevor Sie die Frage reflexhaft beantworten. Sagen Sie dann lieber so etwas wie: „Wie würdest du selbst das Problem lösen?“Das zwingt den Fragesteller, selbst Ideen und Lösungsvorschläge zu entwickeln.