Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Helfen ist nicht immer gut

- VON ANJA FÖRSTER rat@augsburger allgemeine.de

Ich kann ja gut verstehen, dass die beiden Kinder meiner Bekannten nicht bei uns (aus ihrer Perspektiv­e öden und steinalten) Erwachsene­n mit am Tisch sitzen wollten. Ich war ja auch schließlic­h von ihren Eltern zum Abendessen eingeladen worden und nicht von ihnen. Fair! Nur: Zwar aßen die zwei 17und 19-jährigen Youngsters nicht mit uns zu Abend, dennoch waren sie ständig anwesend und wollten etwas von ihren Eltern:

„Ich finde den Eierkocher nicht. Das nervt total. Wo soll ich denn noch überall suchen?“

„Wie soll ich denn meine Hausaufgab­en ausdrucken? Kannst du mal schauen? Der blöde Drucker funktionie­rt schon wieder nicht.“

Wir konnten uns einfach nicht unterhalte­n, wurden dauernd unterbroch­en, der Abend machte keinen Spaß. Es nervte.

Wenn Sie mal auf diese „Soll-ichFragen“geeicht sind, werden Sie sie überall bemerken. Nicht nur in privaten Beziehunge­n. Auch zwischen Chef und Mitarbeite­r. Was daran so nervig ist: Mindestens die Hälfte der Fragen sind schon mal gestellt worden!

Das vordergrün­dige Problem liegt beim Fragestell­er, der sich in bequeme Hilflosigk­eit begibt, anstatt das Gelernte dauerhaft zu verinnerli­chen, um künftig den Problemtyp­us selber lösen zu können.

Das eigentlich­e Problem liegt bei demjenigen, der die „Soll-ich-Frage“beantworte­t! Er begünstigt genau dieses Verhalten und zimmert so eine Abhängigke­it. Zu helfen und gebraucht zu werden fühlt sich gut an. Ich habe nicht das Geringste gegen solidarisc­hes Helfen. Problemati­sch wird es aber dann, wenn es zum Dauerzusta­nd wird. Kümmerer produziere­n Verkümmert­e!

Mein Vorschlag: Wenn Ihnen mal wieder eine solche „Soll-ichFrage“gestellt wird, versuchen Sie eine kurze Denkpause einzulegen, bevor Sie die Frage reflexhaft beantworte­n. Sagen Sie dann lieber so etwas wie: „Wie würdest du selbst das Problem lösen?“Das zwingt den Fragestell­er, selbst Ideen und Lösungsvor­schläge zu entwickeln.

 ??  ?? Anja Förster ist Unterneh merin, Vortragsre­dnerin und Autorin. Ihr neues Buch heißt „Zündfunken für Andersdenk­er“.
Anja Förster ist Unterneh merin, Vortragsre­dnerin und Autorin. Ihr neues Buch heißt „Zündfunken für Andersdenk­er“.

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