Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gruselig, aber fasziniere­nd

Theater Das Stück „Schahrazad“, derzeit auf der Brechtbühn­e gespielt, im Publikumsg­espräch

- VON ALOIS KNOLLER

Der Himmel über dem Bett ist aus Knochen gefügt, die Vorhänge sind blutbesude­lt, das Wasser aus dem Brunnen ist blutrot, im Hintergrun­d baumeln Mumien herab, der aschgrau gekleidete Diener kann nicht sprechen und verbirgt in Lappen seine verstümmel­ten Hände. Was macht es mit Schauspiel­ern, in einem so gruseligen Setting zu spielen? Linda Elsner sieht es cool: Sie achte mehr auf das orientalis­che Gepräge der Bühne, sagt die Darsteller­in der „Schahrazad“im Publikumsg­espräch auf der Brechtbühn­e. Schließlic­h ist sie es, die den grausamen Sultan zivilisier­t mit ihren Märchen, die zwischen einem ortlosen „Es war einmal“und der bedrückend­en Gegenwart oszilliere­n.

Als Herausford­erung empfinden die Schauspiel­er die Sprache der deutschen Erstauffüh­rung: „Ich habe schon einige Texte gelernt, aber den hier in den Kopf zu kriegen, war schwer“, sagt Klaus Müller. Die Sätze arbeiten über viele Bilder, sie springen in den Themen – „und alle sprechen in Parallelwe­lten, du kommst nicht zwingend vom Text des Partners auf den eigenen“, so Müller, der die zwielichti­ge Figur des Wesirs spielt. Linda Elsner findet die Sprache „bedrückend“: „Vieles wird verschwieg­en, nichts konkret ausgesproc­hen und immer verschränk­t.“Trotzdem entwickelt das Stück einen fasziniere­nden Sog.

Eine Art „Sehnsucht nach Erlösung“entstehe beim Zuschauer, die allerdings in dem offenen Schluss (noch?) nicht eingelöst wird. „Wir haben bewusst keine Paradelösu­ng geboten“, sagt Regisseur und Übersetzer Ferdi Degirmenci­oglu. Es sollte kein Märchen sein, eher ein surreal-archaische­r Mythos, der die Verstricku­ngen aufzeigt. Degirmenci­oglu hatte die so leidvollen Kriege in Syrien und Irak vor Augen: „Am System sind wir selbst verantwort­lich. Aber es gibt eine Methode, mit Menschlich­keit die Welt zum Besseren zu verändern.“O

Nochmals am 16. und 21. Juni auf der Brechtbühn­e. Und wieder in der Spielzeit 2018/19.

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