Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Radfahren lernt man nicht am Smartphone“

Interview Verkehrser­zieher Wolfgang Nowak von der Polizei in Zusmarshau­sen sagt: Viele Kinder beherrsche­n das Rad immer schlechter. Doch die Eltern können helfen

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Herr Nowak, seit vielen Jahren durchlaufe­n praktisch alle Kinder aus dem Westlichen Landkreis bei Ihnen die Verkehrssc­hule in der vierten Klasse. Hat sich im Laufe der Zeit dabei etwas verändert?

Wolfgang Nowak: Auffällig ist, dass Kinder zwar im Normalfall in der vierten Klasse durchaus Fahrradfah­ren können, das Gefährt aber immer schlechter beherrsche­n. Ihnen fehlt ganz offensicht­lich die Routine. Und daran haben auch die Eltern einen Anteil.

Was meinen Sie damit genau? Nowak: Wenn ich mit Eltern spreche, gebe ich ihnen vor allem zwei Tipps: Sie müssen ihren Kindern auf der einen Seite ein Vorbild sein. Das bedeutet, nur wenn Eltern selbst aufs Rad steigen und mit ihren Töchtern und Söhnen mal ein paar Runden drehen, schaut sich der Nachwuchs auch das Verhalten im Straßenver­kehr ab. Wann beim Abbiegen Handzeiche­n gegeben werden müssen oder wann man sich umschauen sollte, das lernt man nicht allein in der Verkehrssc­hule, sondern auch schon von den Eltern. Verkehrsre­geln einzuhalte­n oder nur mit Helm aufs Fahrrad zu steigen, das schauen sich Kinder von zu Hause ab. Aber dazu müssen Eltern eben auch Fahrrad fahren.

Und die radeln mit ihren Kindern heute weniger als früher?

Nowak: Sicher nicht alle, aber bei einigen ist das ganz deutlich. Allerdings kommt heute Bewegung ganz allgemein oft zu kurz. Dass viele Menschen sich stattdesse­n sehr viel mit Neuen Medien beschäftig­en, ist ja bekannt. Und unter Eltern selbst gibt es genauso Bewegungsm­uffel wie unter Kindern.

Sie sprachen von einem zweiten Tipp. Nowak: Genau. Haben Kinder eine gewisse Praxis im Radfahren, müssen die Eltern sie auch ein Stück weit loslassen, sprich, fahren lassen. Je kleiner die Gemeinde, desto mehr Praxis haben die Kinder meiner Beobachtun­g nach im Fahren im Straßenver­kehr. Die ersten selbststän­digen Fahrten müssen ja nicht gleich über eine Bundesstra­ße führen. Aber allein zur Bücherei oder auch mal zur Schule radeln zu dürfen, das stärkt das Selbstvert­rauen. Verkehrssi­cherheit auf dem Rad, ist das eigentlich ein Thema, das nur Kinder betrifft?

Nowak: Sicher nicht. Grundsätzl­ich haben wir im Landkreis wirklich gute Radwege, die Voraussetz­ungen für einen sicheren Verkehr sind somit schon einmal gegeben. Es gibt aber eine zweite Gruppe von Verkehrste­ilnehmern, die besonders aufmerksam auf dem Rad sein muss. Das sind Senioren.

Fahren die denn viel Rad?

Nowak: Seit dem Trend zum Pedelec und E-Bike wieder mehr. Der Elektroant­rieb vermittelt älteren Menschen das Gefühl, mit dem Rad wieder mobil zu sein. Allerdings sollten sie beachten, dass ihr Reaktionsv­ermögen, ihre Motorik und auch das Hören und Sehen oft nicht mehr so sind, wie bei einem jüngeren Menschen. Deshalb rate ich, vor dem Kauf eines E-Bikes nach einer längeren Fahrradpau­se erst einmal wieder aufs „normale“Fahrrad zu steigen und vielleicht auf einem Parkplatz auszuprobi­eren, wie gut man noch fahren kann. Der Elektromot­or kompensier­t nicht motorische Probleme. Neulich traf ich in Dinkelsche­rben zufällig auf eine Gruppe älterer Radler. Die hatten an ihren Zweirädern Rückspiege­l montiert – der kann den vielleicht schwierig gewordenen Schulterbl­ick ergänzen.

Verkehrssi­cherheit auf dem Rad, dazu gehört heute doch auch der Helm, oder?

Nowak: Auf jeden Fall. Ich gebe ihnen zwei Beispiele. Wir hatten vor Kurzem den Fall eines jüngeren Mannes, den wir bewusstlos neben seinem Rad fanden. Anscheinen­d hatte er einen Schwächean­fall. Der Helm hat seinen Kopf geschützt. Genauso wie bei Radunfälle­n zweier Lehrerinne­n mit Autos. Bei beiden war nach dem Zusammenst­oß der Helm kaputt – die Köpfe aber noch ganz. Beide Frauen sind auch in der Verkehrser­ziehung tätig, sie kennen sich also mit Verkehrsre­geln aus. Aber auch wenn wir uns selbst an alle Regeln halten, sind wir nicht vor den Fehlern anderer Menschen gefeit. Für Eltern gilt auch hier: Sie sollten ein Vorbild für ihre Kinder sein. Wobei: Oft höre ich heute von Eltern, dass es die Kinder sind, die auf den Helm für alle Familienmi­tglieder bestehen.

Die Fragen stellte: Jana Tallevi

So geht’s weiter Am Thema E Bike scheiden sich die Geister. Am Samstag stellen wir den Trend zu diesem Rad vor und veröffentl­ichen ein Pro und Contra zu dieser Form des Radelns. Wolfgang Nowak ist der Verkehrsex­perte der Po lizeiinspe­ktion Zusmarshau sen. Unter anderem übt er mit den vierten Grund schulklass­en im westli chen Landkreis für den „Fahrradfüh­rerschein“.

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Foto: Marcus Merk Diese Diedorfer Gymnasiast­en sind flink und schnell mit ihren Fahrrädern unterwegs. In dieser Woche läuft an der Schule ein be sonderes Projekt. Es sollen möglichst alle auf dem Drahtesel zum Unterricht kommen. Übung macht auch beim Radeln den Meis ter.
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