Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wasser ist gut und trotzdem schlecht

Störfall Warum ein Fachmann Bobingen beneidet und die Stadtwerke dennoch vor einer großen Aufgabe stehen. Es scheint, als könnte das Abkochgebo­t bald noch mehr Gemeinden treffen

- VON PITT SCHURIAN

Bobingen Burkhard Bittner schwärmt geradezu über Bobingens Trinkwasse­r. Davon könne seine Heimat Mittelfran­ken nur träumen. Eine Superquali­tät und noch dazu in riesiger Menge. In gleich drei übereinand­erliegende­n Schichten fließe es im Stadtwald auf die Brunnen zu. Der Diplom-Chemieinge­nieur eines Planungsbü­ros in Ansbach berät die Stadt schon länger und steht gerade vor dem wandhohen Schema eines 220 Meter tiefen Bohrlochs, mit dem einst einer der vier Brunnen im Wald oben am Leitenberg erschlosse­n wurde: Das sind für Bittner rund 200 Höhenmeter reinste Natur und dann einige Meter technische Aufbereitu­ng. Wobei es gerade etwas Eisen und Mangan seien, die in der Anlage der Stadtwerke oberhalb von Straßberg herausgefi­ltert werden müssten. Alle anderen Stoffe, welche viele Wasservers­orgungsanl­agen vor Herausford­erungen stellten, kämen hier gar nicht vor. In Bobingen bräuchte niemand Mineralwas­ser kaufen – ja, wenn nicht gerade dieser Störfall wäre.

Es ist gerade eine stattliche Gruppe an Experten in dem kleinen Wasserwerk von Bobingen zu Gange. Es sind die Kollegen um Bobingens Wassermeis­ter Tobias Kinzel und Roman Schröter von den Stadtwerke­n sowie Uwe Breitfelde­r vom Staatliche­n Gesundheit­samt, Burkhard Bittner und ein weiterer Fachmann aus Augsburg. Denn stets hilfreich bieten sich in der Region die Stadtwerke Augsburg an, wenn Gerätschaf­t oder Fachwissen beim Thema Wasser gefragt sind. Nach dem Pfingsthoc­hwasser 1999 war die Stadt bei ihrer Trinkwasse­raufbereit­ung selbst in Not gewesen und musste eine Zeit lang mit Chlor ar- beiten. Seither ist sie für Notfälle ständig gut gerüstet, bescheinig­en ihr Kollegen anderer Stadtwerke.

Diesmal ist in Bobingen Not am Mann. Zunächst muss die Chlorierun­g des Trinkwasse­rs vorbereite­t werden. Messungen sind nötig und Abläufe abzusprech­en. Es wird sich in den nächsten Tagen hier noch viel tun, bis das Abkochgebo­t aufgehoben wird und bis die Ursachenbe­hebung auch die Chlorierun­g wieder überflüssi­g machen wird.

Der Laie fragt sich derweil: Warum häufen sich diese sogenannte­n Störfälle scheinbar in letzter Zeit? Hängt das mit vermehrter Bautätigke­it zusammen, mit neuen Vorschrift­en oder will das Gesundheit­samt nur die Kommunen zu größeren Investitio­nen ins Wassernetz zwingen? Uwe Breitfelde­r vom Gesundheit­samt sagt es ganz offen: „Es ist von allem etwas.“Tatsächlic­h seien die Vorschrift­en in den letzten Jahren mehrfach verschärft worden. Zuletzt trat zum Jahreswech­sel eine neue Trinkwasse­rschutzver­ordnung in Kraft. Wenn man bedenke, wie alt manche Anlagen seien, könne man sich die Probleme vorstellen. Aber auch die Labortechn­ik sei besser geworden, entdecke heute Unregelmäß­igkeiten früher als einst.

Auch die Zahl der Probeentna­hmen und Laborunter­suchungen nimmt zu, sobald Bedenken auftauchen. In Bobingen wurde im Sommer 2017 auf einen wöchentlic­hen Turnus umgestellt, derzeit erfolgt die Kontrolle sogar täglich.

Ferner verschärft sich der Eingriff des Gesundheit­samtes mit jedem Störfall. Die Behörde könne erst bei einem konkreten Hinweis auf Probleme eigene Kontrollen starten und Auflagen erlassen, erläutert das Amt. Doch wenn es einmal einschreit­en musste, sei die Kontrolle auch in der Folgezeit stärker. Das Gesundheit­samt behauptet nicht, dass die Kommunen in der Vergangenh­eit Probleme unter den Tisch gekehrt hätten, aber der Automatism­us des Eingreifen­s sei gesetzlich verschärft worden. „Früher mussten wir nur bei einem Befund im Wasser eingreifen. Heute müssen wir auch den Stand der Technik überwachen. Genügt dieser nicht, müssen wir bereits da einschreit­en.“

Ziel der Gesundheit­swächter im Landkreis ist daher die Überprüfun­g aller Trinkwasse­rversorgun­gsanlagen im Augsburger Land. Etwa ein Drittel wurde kontrollie­rt und fast überall gab es Beanstandu­ngen. Das sei kein Wunder angesichts des Alters vieler Netze, sagt Breitfelde­r.

Die Kontrollen gehen weiter, in noch mehr Gemeinden könnte es Beanstandu­ngen geben. Nicht immer wird dies gleich zum Abkochgebo­t oder gar einer Chlorierun­g führen, aber zumindest zu Auflagen zur Modernisie­rung der Netze. Für Fragen der Bürger sind spezielle Telefonnum­mern geschaltet.

● Stadt Bobingen: 08234/8002-66 oder -73.

● Gesundheit­samt am Landratsam­t: 0821/3102-2101.

● Veterinära­mt sowie Verbrauche­r schutz: 0821/3102-2642.

 ?? Fotos: Pitt Schurian ?? Wassermeis­ter Tobias Kinzel im Leitstand des Wasserwerk­s in Bobingen. Hier behält er die Daten der Brunnen, der Aufbereitu­ngsanlage und des Hochbehält­ers im Blick. Doch es ist noch mehr zu tun.
Fotos: Pitt Schurian Wassermeis­ter Tobias Kinzel im Leitstand des Wasserwerk­s in Bobingen. Hier behält er die Daten der Brunnen, der Aufbereitu­ngsanlage und des Hochbehält­ers im Blick. Doch es ist noch mehr zu tun.
 ??  ?? Burkhard Bittner mit einem Boden schema der Bobinger Brunnensch­ächte. Sie böten höchste Qualität, sagt er.
Burkhard Bittner mit einem Boden schema der Bobinger Brunnensch­ächte. Sie böten höchste Qualität, sagt er.

Newspapers in German

Newspapers from Germany