Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Das Erbe der drei Kriegsgefangenen
Völkerverständigung Seit 45 Jahren gibt es die Partnerschaft von Biesles und Nordendorf. Die Wurzeln reichen weiter zurück
Nordendorf Seit 45 Jahren begegnen sich die beiden Partnergemeinden Nordendorf und Biesles in regelmäßigen Abständen. Im Mai war wieder eine Delegation von 32 Personen aus der französischen Partnergemeinde in Nordendorf zu Gast. Gemeinsam wurde dieses Jubiläum gefeiert.
Nach einem herzlichen Empfang, der musikalisch von einer Abordnung des Musikvereins Nordendorf unter Leitung von Eduard Reinbold umrahmt wurde, ging es am ersten Besuchstag nach Ulm und Blaubeuren. Die Gäste waren sichtlich beeindruckt vom Ulmer Münster, dem pittoresken Fischer- und Gerberviertel sowie vom Rathaus mit seiner astronomischen Uhr.
In Blaubeuren besichtigte die deutsch-französische Gruppe das urgeschichtliche Museum Urmu, das Funde beherbergt, die in Höhlen auf der Schwäbischen Alb gefunden wurden. Seit 2017 gehören diese Funde neben den Höhlen selbst zum Weltkulturerbe der Unesco und waren deshalb besonders interessant für die französischen Gäste. Bei schönstem Sonnenschein konnten die französischen Gäste aus Biesles das türkis schimmernde Wasser des Blautopfs bestaunen, der Legende der „Schönen Lau“von Eduard Mörike lauschen und ein paar Erinnerungsfotos machen.
Sichtlich beeindruckt vom Besuch der Wülzburg, auf der Charles de Gaulle im Ersten Weltkrieg in Kriegsgefangenschaft war, ging Bürgermeister Michel André (Biesles) am Festabend auf die deutschfranzösischen Beziehungen unter de Gaulle und Adenauer ein. Er betonte hierbei die enge Freundschaft, die die beiden Staatsmänner verband, und erinnerte an den Besuch Adenauers auf dem Landsitz de Gaulles „La Boisserie“in Colombey-lesdeux-Églises, welches in der Nähe von Biesles liegt. „Konrad Adenauer war der einzige amtierende Staatsmann, der von de Gaulle in Colombey-les-deux-Églises empfangen wurde“, so der Biesler Bürgermeister.
Nordendorfs Bürgermeister Elmar Schöniger erinnerte sich in seiner Rede an seinen ersten Besuch in Biesles anlässlich der Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrags im Jahr 1973. „Manches war mir fremd oder ungewohnt, was uns heute als selbstverständlich erscheint. Das Ziel der Aussöhnung unsere beiden Länder ist mittlerweile erreicht“, so Schöniger. Er dankte allen Gastfamilien für ihre Bereitschaft, Gäste bei sich aufzunehmen. Estelle Oelgrey, als Vorsitzende der Interessengemeinschaft Biesles-Nordendorf, sprach ebenfalls ein Dankeschön an alle Gastfamilien aus. „Sie alle, die sich zu unserer Partnerschaft bekennen, leisten einen wichtigen Beitrag zum ,Friedensprojekt Europa‘, und Sie verkörpern den europäischen Gedanken.“Sie erinnerte an die tiefe Überzeugung der drei Kriegsgefangenen, die während des Zweiten Weltkriegs in Nordendorf waren, aus Feinden Freunde zu machen.
Die Partnerschaft hat ihren Ursprung während des Zweiten Weltkriegs. Drei französische Kriegsgefangene aus Biesles mussten auf dem Nordendorfer Schlossgut Arbeitsdienst verrichten: Dort arbeitete auch der 15-jährige Anton Lunzner. In dieser Zeit wuchs trotz Gefangenschaft das gegenseitige Vertrauen, und es entstand ein fast freundschaftliches Verhältnis. Die drei Gefangenen aus Biesles und Lunzner sollten 20 Jahre später den Anstoß für die enge Freundschaft zwischen Biesles und Nordendorf geben. 1973 unterschrieben die Bürgermeister Daniel Conversat (Biesles) und Anton Frey (Nordendorf) einen Verbrüderungsschwur.
Der Vorsitzende Jean-Richard Lotz dankte der Gemeinde Nordendorf sowie der Interessengemeinschaft Biesles-Nordendorf für die Organisation rund um den Besuch und den herzlichen Empfang. „Nach Nordendorf komme ich immer wieder gerne“, bekannte Lotz. Ein Auftritt des Nordendorfer Zauberers Elmar Leib alias „Funzelino“sowie der Mertinger Goaßlschnalzer rundeten den Festabend ab.