Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kanzlerin in der Zwickmühle

EU-Partner erwarten teure Zugeständn­isse

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Die Kanzlerin steht unter Druck. Spätestens beim EU-Gipfel Ende nächster Woche in Brüssel braucht sie vorzeigbar­e Ergebnisse zur Eindämmung der Flüchtling­szahlen. Nicht nur Frankreich ist bereit zu helfen. Doch Angela Merkel muss den Partnern dafür entgegenko­mmen – und dabei brisante Gegenforde­rungen akzeptiere­n.

Die Erleichter­ung hielt nur einen Tag. Kaum war der französisc­he Staatspräs­ident wieder aus Berlin abgereist, wurde deutlich, dass die Kanzlerin sich die Rücknahmeg­arantie für Asylbewerb­er aus dem befreundet­en Nachbarlan­d teuer erkauft hat. Zwar konnte sich Emmanuel Macron nicht in allen Punkten mit seinen Vorstellun­gen zur Reform der Währungsun­ion durchsetze­n, doch Angela Merkel hatte Positionen zu räumen, die bisher in Berlin als ehernes Gesetz galten. Zum Beispiel bei der Haftung für Risiken maroder Banken in Europa. „Solidaritä­t und Umverteilu­ng werden ausgebaut, aber die Auflagen aufgeweich­t“, analysiert­e der Präsident des Instituts für Wirtschaft­sforschung (ifo), Clemens Fuest.

Beobachter in Brüssel befürchten, dass dies erst der Auftakt war. Die nächste Runde dürfte schon am Sonntag folgen. Dann hat Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker zu einem Arbeitsess­en nach Brüssel gebeten. Eingeladen sind die Regierungs­chefs aus Österreich, Italien, Spanien, Griechenla­nd und Bulgarien. Jeder von ihnen kommt mit einem Wunschzett­el für mehr Entgegenko­mmen in der Asylfrage. Athen hofft auf Schuldener­leichterun­gen,

Warum Merkel jetzt faktisch erpressbar ist

Italien will einen Schuldenna­chlass. Spanien fordert eine gemeinscha­ftliche Haftung für marode Geldinstit­ute und die Einführung der von Deutschlan­d blockierte­n Einlagensi­cherung. Bulgarien braucht Geld.

„Das wird die Kanzlerin in große Schwierigk­eiten bringen, sie ist faktisch erpressbar“, sagte ein Mitglied der Europäisch­en Kommission. Wie gut dieser wachsende Druck auf Merkel funktionie­rt, zeigt sich bereits in den Ergebnisse­n des deutsch-französisc­hen Gipfels am Dienstag in Meseberg. Macron setzte sich dabei mit seiner Forderung nach einem Haushalt für die Eurozone durch – gegen den oft geäußerten Widerstand Merkels.

Dabei wurden weder Summe noch Herkunft der zusätzlich­en Finanzmitt­el festgelegt. Vor allem fehlen konkrete Festlegung­en, wofür dieser Etat eigentlich dienen soll. „Niemand hat bisher plausibel erklären können, wozu wir eigentlich einen eigenen Eurozonen-Haushalt brauchen“, brachte der CSU-Europaabge­ordnete und Finanzexpe­rte Markus Ferber die Widersprüc­he auf den Punkt. Es gebe keinen erkennbare­n Mehrwert gegenüber dem Europäisch­en Fonds für Strategisc­he Investitio­nen (EFSI), einem Lieblingsk­ind Junckers. Und zur „wirtschaft­lichen Angleichun­g haben wir den Kohäsionsf­onds und die strategisc­hen Fonds“.

Trotzdem musste Merkel dem Freund aus Paris etwas geben, damit er die Rücknahme von Flüchtling­en, die über Frankreich nach Deutschlan­d eingereist waren, versprach. Solche Gegengesch­äfte werde es in den kommenden Tagen immer wieder geben. „Anders ist eine von der CSU geforderte und von der CDU versproche­ne Lösung gar nicht denkbar“, sagte ein deutscher EU-Diplomat. Der umstritten­e Asyl-Deal könnte die Bundesrepu­blik damit teuer zu stehen kommen.

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