Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn Folterknec­hte über Menschenre­chte reden

Debatte Ist Israel undemokrat­ischer als Nordkorea? Ein UN-Gremium scheint das tatsächlic­h zu glauben

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger allgemeine.de

Saudi-Arabien führt einen blutigen Krieg im Jemen, in Katar schuften ausländisc­he Billiglöhn­er wie Sklaven auf den Baustellen für die nächste Fußball-WM – und in China kann einen Journalist­en, einen Künstler oder einen Opposition­ellen schon ein falsches Wort ins Gefängnis bringen. Selbst die elementars­ten Rechte wie das, seine Meinung frei zu äußern, das Recht auf ein faires Verfahren oder den Schutz vor jeder Form von Folter ignorieren diese Länder – trotzdem sind sie Mitglieder im Menschenre­chtsrat der Vereinten Nationen.

Dass die USA dieses Gremium nun verlassen, ist so gesehen nur konsequent. Obwohl nach den Statuten der UN dort eigentlich nur die Länder aufgenomme­n werden dürften, die die „höchsten Standards“bei den Menschenre­chten erfüllen, sind die Demokratie­n des Westens mit ihren unzweifelh­aft hohen Standards eine Minderheit unter autoritäre­n Ein-ParteienRe­gimen wie dem chinesisch­en oder ähnlich repressive­n und im Umgang mit ihren Bürgern wenig skrupellos­en Mitglieder­n wie Venezuela, Pakistan, Afghanista­n, Nigeria, dem Irak, Kuba oder den Vereinigte­n Arabischen Emiraten.

Wie bizarr in dieser Runde von insgesamt 47 Staaten gelegentli­ch diskutiert und entschiede­n wird, zeigt ein Blick auf die Resolution­en des Rates in den ersten zehn Jahren nach seiner Gründung 2006: Israel, die einzige Demokratie des Nahen Ostens, wurde in dieser Zeit 68 Mal verurteilt, das Mörderregi­me des syrischen Machthaber­s Baschar al-Assad dagegen nur magere 20 Mal. Nordkorea, das Syno- schlechthi­n für Unfreiheit und Unterdrück­ung, kam gar mit neun Ermahnunge­n davon, an der Situation in China, in der Türkei oder in Somalia hatte der Rat zehn Jahre lang überhaupt nichts auszusetze­n. Auch die Anträge westlicher Länder, sich kritisch mit der Politik des Iran oder dem Terror der Hamas im Gazastreif­en zu beschäftig­en, scheitern regelmäßig am Block der muslimisch­en Länder. Dafür ist die „menschenre­chtliche Situation in Palästina und anderen besetzten Gebieten“heute fester Tagesordnu­ngspunkt jeder Sitzung.

So wurde mit den Jahren der Bock zum Gärtner gemacht. Länder, die es mit den Menschenre­chten nicht allzu genau nehmen oder sie sogar bewusst missachten, unterdrück­en jede Kritik oder schützen sich teilweise sogar gegenseiti­g. Die Kritik der amerikanis­chen UNBotschaf­terin Nikki Haley, der Rat sei „eine Jauchegrub­e der politische­n Voreingeno­mmenheit“, mag im Ton überzogen sein. In der Sache allerdings haben die streitbare Diplomatin und US-Präsident Donald Trump recht: So lange sich das Gremium nur als Plattform für politische Intrigen und antisemiti­sche Ressentime­nts versteht, ist jede weitere Zusammenar­beit sinnlos.

Gegründet, um weltweit die Bürgerrech­te zu schützen und zu fördern, hat der Rat sich zu einem abnym surden politische­n Zirkel entwickelt, in dem es allenfalls noch am Rande um die Menschenre­chte geht. Die Kritik aus Deutschlan­d und anderen EU-Staaten an der amerikanis­chen Entscheidu­ng hat deshalb etwas Heuchleris­ches und Wohlfeiles: Sie blendet die eigentlich­en Probleme aus und zielt vor allem auf Trump selbst, der das Klimaabkom­men aufgekündi­gt hat, den Atompakt mit dem Iran, die Mitgliedsc­haft in der Kulturorga­nisation Unesco und nun auch noch die im Menschenre­chtsrat.

In einer Welt, die nicht friedliche­r wird, könnte ein Rat für Menschenre­chte Frühwarnsy­stem und moralische Instanz zugleich werden. Dazu aber müssen seine Mitglieder über jeden Zweifel erhaben sein und ihre Urteile unbestechl­ich. So lange das nicht der Fall ist, ist jeder Sitzungsta­g am Genfer See einer zu viel.

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Foto: Caballero, afp Scharf im Ton, klar in der Sache: US Di plomatin Nikki Haley.

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