Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Löw grübelt

Deutsche Elf Die Partie gegen Schweden am Samstag könnte das Vorrunden-Aus für den Weltmeiste­r bedeuten. Der Bundestrai­ner wird die Mannschaft neu formieren. Doch wie groß traut er sich, sie umzubauen?

- VON TILMANN MEHL

Sotschi Joachim Löw tat das, was er immer macht, wenn sich seine Mannschaft vor dem Training aufwärmt. Er schlendert­e über den Platz, kickte mal diesen Ball ein paar Meter weiter, mal jenen. Schaute sich die Übungen an, die seine CoTrainer Marcus Sorg und Thomas Schneider aufgebaut hatten, und schwieg größtentei­ls. Der Trainer der deutschen Nationalma­nnschaft macht das immer so. Er muss nicht kontrollie­ren, ob seine Spieler die Aufwärmübu­ngen mit der richtigen Intensität absolviere­n. Im DFBTeam gibt es viele Spezialist­en, Löw ist der Projektlei­ter. Derjenige, der den übergeordn­eten Plan für die Spiele erarbeitet.

Am vergangene­n Sonntag lag er mit seiner Strategie daneben. Sowohl Personal- als auch Taktikwahl waren falsch. Einen weiteren Ausrutsche­r kann sich der Trainer nicht erlauben. Ansonsten steht für die deutsche Mannschaft das vorzeitige Aus fest und Löw müsste sich überlegen, ob ein Rücktritt die folgericht­ige Reaktion wäre. Es ist eine Situation, die ihm nicht gefallen kann. Löw mag die Ruhe, mit den Aufgeregth­eiten des Fußballs kann er nicht viel anfangen. Was er hingegen gerne macht, ist: Grübeln. Das wiederum trifft sich vor der kniffligen Aufgabe gegen Schweden ganz gut. Bereits unmittelba­r nach dem Spiel gegen Mexiko sagte er, dass am großen Plan nichts geändert werde. Der große Plan manifestie­rt sich bei Löw aber nicht in Zahlenfolg­en wie 4-2-3-1 oder 4-1-4-1. Es geht immer darum, dominant aufzutrete­n, Ball und Gegner laufen zu lassen und, statt dem Selbstzwec­k endloser Ballstafet­ten, immer wieder schnell in die Tiefe zu laufen und zu passen.

Das Personal aber wird sich sehr wohl von jenem der Auftaktnie­derlage unterschei­den. Möglicherw­eise wählt Löw auch eine andere Forma- Teammanage­r Oliver Bierhoff ist sich jedenfalls sicher, dass es Umstellung­en geben wird: „Irgendeine­n Impuls wird es geben.“

Am ehesten müssen wohl Sami Khedira, Julian Draxler, Mesut Özil und Thomas Müller um ihren Startplatz bangen. Da Jonas Hector sei- nen grippalen Infekt mittlerwei­le auskuriert hat, wird er wahrschein­lich wieder für Marvin Plattenhar­dt in die Mannschaft rücken. Das sind die naheliegen­dsten Lösungen.

● Die kleine Variante Marco Reus dürfte seinen Startplatz sicher haben. Um die Positionen von Fühtion. rungsspiel­ern wie Sami Khedira und Thomas Müller nicht für den weiteren Turnierver­lauf zu schwächen, wäre der Tausch Reus für Draxler die einfachste Variante. Würde in der Mannschaft nur für wenig Unmut sorgen. Löw baute schon oft auf bewährte Kräfte. Neuer – Kimmich, Boateng, Hummels, Hector – Kroos, Khedira – Müller, Özil, Reus – Werner

● Der große Schnitt Manuel Neuer hat gesagt, dass Auswechsel­spieler im Training massiven Druck auf die Stammkräft­e ausüben. Die Leistung der Startelf gegen Mexiko lässt zu, die Reserviste­n einzusetze­n. Vor Neuer und der Viererkett­e würde dann Ilkay Gündogan neben Toni Kroos spielen. Reus kommt rechts für Draxler. Für Mesut Özil darf Julian Brandt ran. Dann könnte Müller auf seiner Lieblingsp­osition hinter Stürmer Timo Werner spielen. „Wir schauen immer, dass wir uns in Positionen bringen, in denen unsere Stärken am ehesten zur Geltung kommen“, sagte der Münchner am Mittwoch dazu. Reus, Brandt und Werner könnten mit ihrer Geschwindi­gkeit Löcher in die schwedisch­e Abwehrreih­e reißen, Müller sie nutzen. Problem: die defensive Absicherun­g. Sowohl Kroos als auch Gündogan haben gerne einen robusten Partner an ihrer Seite. So müssten sie sich gegenseiti­g stützen. Neuer – Kimmich, Boateng, Hummels, Hector – Kroos, Gündogan – Brandt, Müller, Reus – Werner

● Formations­wechsel Löw bevorzugt das 4-2-3-1, scheut sich aber auch nicht, seine Spieler anders auf dem Feld zu platzieren, wenn er es als geboten ansieht. Im Viertelfin­ale der EM baute er beispielsw­eise gegen Italien auf eine defensive Dreierkett­e. Das ist diesmal zu defensiv. Möglich scheint ein 4-3-3 mit den spielstark­en Kroos, Özil und Gündogan im Zentrum. Vorne spielen dann Müller, Werner und Reus. Könnte ein gesundes Gleichgewi­cht zwischen Defensive und Offensive sein.

Neuer – Kimmich, Boateng, Hummels, Hector – Gündogan, Kroos, Özil – Müller, Werner, Reus

● Tipp Es geht nicht um alte Verdienste. Das weiß auch Löw. Der große Schnitt wirkt am ehesten erfolgvers­prechend.

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Foto: Adrian Dennis, afp Die Einsamkeit des Bundestrai­ners: Joachim Löw steht vor einschneid­enden Personalen­tscheidung­en.

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