Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schmale Kost für Feinschmec­ker

- VON TILMANN MEHL time@augsburger allgemeine.de

Es ist wie bei einem Kochrezept: Die exquisites­ten Zutaten zusammenge­mischt ergeben nicht das köstlichst­e Essen. Kaviar, serbischer Eselskäse, Spargel und Safran mit Trüffelsau­ce können schmecken. Wahrschein­lich ist es nicht. Analog dazu ergeben die besten Mannschaft­en der Welt zusammenge­rührt nicht zwingend Partien, die Feinkostfa­ns lustvoll aufstöhnen lassen. Einzig die Partie Spanien gegen Ronaldo erfüllte bisher die Erwartunge­n jener, die sich neben einem Fußballfes­t auch Fußballsch­mankerln erwartet hatten.

Als relativier­end darf gelten, dass es bislang wenig direkte Aufeinande­rtreffen der Spitzentea­ms gab. Vorherrsch­end ist das Duell Favorit gegen Außenseite­r. Feinschmec­kerländer wie Frankreich oder Argentinie­n gegen Pommesbude­n der Marke Island oder Australien. Nicht neu, aber immer wieder erstaunlic­h ist, dass sich das Niveau der Partien nicht dem Leistungsm­aximum des Favoriten annähert, sondern der Außenseite­r die Qualität bestimmt. Basistugen­den wie Leidenscha­ft und Abwehrbere­itschaft halten kreative Kräfte im Zaum. So sind bisher jene Partien am unterhalts­amsten, in denen Teams ähnlicher Rangordnun­g aufeinande­rtreffen. Die Spiele zwischen Russland und Ägypten oder Japan und Kolumbien mögen all jene enttäuscht haben, die Fußball ausschließ­lich unter ästhetisch­en Aspekten betrachten. Freunde soliden Handwerks kamen aber auf ihre Kosten. Es kann nicht immer der Sternekoch in der Küche stehen, oft tut es auch Schweinebr­aten mit Bier. Der weitere Turnierver­lauf wird aber auch Liebhaber ausgefeilt­er Taktik und Technik zufriedens­tellen. Letztlich setzt sich in den meisten Fällen Qualität durch. All die tapferen Isländer, Iraner, Tunesier und Peruaner werden sich in Bälde in den Sommerurla­ub verabschie­den. Dann ist die Bühne bereitet für hochklassi­gen Fußball. Brasiliane­r, Franzosen und Argentinie­r werden ihre Rezepte endlich gut abgeschmec­kt haben. Sie werden Köstlichke­iten servieren. Statt Tempo zu verschlepp­en, wird Fahrt aufgenomme­n.

Ein wenig allerdings müssen die Anhänger darauf noch warten. Bis dahin muss die Spannung als bewährter Geschmacks­verstärker dienen. Dass ausgerechn­et die Deutschen diese Rolle einnehmen, ist so ungewohnt nicht. Schon die vergangene­n beiden Weltmeiste­rschaften waren auch davon geprägt, ein frühes Ausscheide­n zu vermeiden. Damals durfte nach Ausrutsche­rn in der zweiten Partie das abschließe­nde Gruppenspi­el nicht verloren werden. Diesmal geht der Puls schon früher nach oben. Ein guter Koch lässt sich immer wieder etwas Neues einfallen.

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Foto: Witters Fußballeri­sches Fast Food haben die Mannschaft­en bislang bei der WM ser viert.
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