Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Seltener Vogel brütet am Parkplatz
Tiere Flussregenpfeifer wollen nicht gerne gestört werden. Jetzt hat sich ein Brutpaar mitten im Sheridan-Gewerbeareal niedergelassen. Ein seltener Fall, aber in Augsburg nicht der einzige
Normalerweise tun Flussregenpfeifer das, was ihr Name sagt: Sie brüten bevorzugt an Flüssen. Nun hat sich ein Paar dieser seltenen Vögel ein Nest mitten auf einem viel befahrenen Parkplatz in Pfersee gebaut. Rundherum tost der Baulärm im neuen Gewerbegebiet des Sheridan-Areals. Ausgerechnet an dieser belebten Stelle wollen die Flussregenpfeifer ihren Nachwuchs großziehen. „Das ist schon eine Besonderheit“, sagt Martin Trapp vom Landesbund für Vogelschutz in Augsburg.
Die ungewöhnliche Tiergeschichte wird von menschlichen Nachbarn aufmerksam verfolgt und begleitet. „Einer unserer Mitarbeiter hat den Flussregenpfeifer eines Tages plötzlich herumhüpfen sehen“, erzählt Iris Neubert, Abteilungsleiterin im Dental-Labor Rager an der Franz-Josef-MetzgerStraße. Kurz darauf habe man in einem kiesigen Bereich des Parkplatzes das Nest gefunden. Schnell wurde ein Flatterband besorgt und der Brutplatz abgesperrt.
Die Vögel sollen mitten im Parkverkehr wenigstens ein bisschen Ruhe haben. Jetzt wartet praktisch die gesamte Belegschaft von 100 im Dental-Labor darauf, dass der Flussregenpfeifer Nachwuchs bekommt. Iris Neubert sagt: „Wir freuen uns schon darauf, dass Junge schlüpfen.“
Flussregenpfeifer sind in Bayern selten geworden. Sie stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Bayernweit gibt es nur noch rund 500 Brutpaare. Die Zahl nimmt ab. In Augsburg leben diese Vögel noch häufiger auf den Kiesbänken an Lech und Wertach. Weil die mit Kraftwerken verbauten Flüsse aber immer weniger Kies transportieren, schrumpft der natürliche Lebensraum. Wie Vogelschützer Trapp erklärt, ist auch der Druck von StadtLeuten bewohnern groß, wenn sie an den Kiesbänken baden oder dort in der Freizeit die Natur genießen. Gerade in der Brutzeit zwischen April und Juni seien Flussregenpfeifer in der Regel sehr störungsempfindlich. Aber nicht nur der Mensch kann eine Gefahr für die Vögel sein, sondern auch Hochwasser. Der Lech und der Lechkanal sind nicht mehr so breit wie früher, als der Wildfluss noch viel Raum hatte. Selbst ein niedriges Hochwasser kann die Kiesbänke schon überfluten und die Küken ertrinken.
An Lech und Wertach steht die Vogelart unter Druck. Trapp beobachtet immer wieder einzelne Paare, die umziehen und sich in Augsburg und der Region neue Lebensräume in ungewöhnlichen Nischen suchen. Der brütende Flussregenpfeifer mitten auf dem Parkplatz im Gewerbegebiet in Pfersee sei kein Einzelfall, sagt er. Flussregenpfeifer brauchen für ihre Nester vor allem einen kiesigen Untergrund. Nur so sind die Gelege der Bodenbrüter perfekt vor Fressfeinden getarnt. Sie legen ihre Eier inzwischen auch in Kiesgruben bei Bobingen und im Lechfeld oder im kiesreichen Fischbach beim Wertachstauwehr nahe Schwabmünchen. Auch beim Augsburger Technologiezentrum nahe der Uni oder auf dem Parkplatz der WWK-Arena wurden schon einzelne Brutpaare gesichtet.
Und wie erkennt man einen brütenden Flussregenpfeifer, den man nicht stören soll? Laut Trapp kommt der Vogel angeflattert und versucht, den Menschen von seinem Gelege wegzulocken.