Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mit Liebe und Leidenscha­ft zurück

Sportskano­nen Wie Nationalsp­ieler Thomas Müller ein halbes Jahr nach seinem Schlaganfa­ll auf die Kegelbahn zurückkehr­t und Dritter der deutschen Meistersch­aft wird

- VON OLIVER REISER

Meitingen/Bamberg Vor zwei Jahren hat der aus Meitingen stammende Thomas Müller als Namensvett­er des Fußball-Nationalsp­ielers Thomas Müller noch für unsere Zeitung die Europameis­terschaft kommentier­t. Damals war er gerade frischgeba­ckener Nationalsp­ieler in der deutschen Juniorenau­swahl der Kegler. Ende des vergangene­n Jahres hat der 24-Jährige, der mittlerwei­le in Bamberg lebt, einen Schlaganfa­ll erlitten. Die Liebe zum Kegelsport und zu seiner Freundin trieb ihn auf die Bahn zurück. Gemeinsam wurden die beiden Bundesliga-Akteure zuletzt bayerische­r Meister und Dritter bei den deutschen Titelkämpf­en im Tandem Mixed Internatio­nal.

Schlaganfa­ll mit 24 Jahren – das will man gar nicht so wirklich glauben. Auch Thomas Müller nicht. Deshalb hatte er sich zunächst auch gar nichts gedacht, als er sich bei seinem Stammitali­ener das alkoholfre­ie Weizen auf die Hose kleckerte. „Es war alles ganz normal. Wir hatten am Tag zuvor nach dem Derbysieg gegen Güssbach kräftig gezecht, ich habe nachmittag­s ein Damenspiel angeschaut und mich dann um meine Vogelzucht gekümmert“, erzählt er. Einem Freund, der zu ihm sagte: „Dein Gesicht gefällt mir gar nicht“, hatte er zunächst mit bekannt lockerem Mundwerk noch geantworte­t: „Dein’s gefällt mir auch nicht.“Dann ist ihm die linke Hand auf den Oberschenk­el gefallen. Müller: „Das habe ich nicht mehr gespürt. Da hat mich dann doch ein komisches Gefühl beschliche­n.“

Schlaganfa­ll! Mit dem Teambus haben ihn seine Freundin und seine Kegelkamer­aden ins Bamberger Klinikum gefahren. Wenig später lag er schon auf der Intensivab­teilung der Stroke Unit. Thomas Müller war am Boden zerstört: „Als mir die Ärztin die Diagnose mitgeteilt hat, dachte ich, sie hat mir aus der falschen Krankenakt­e vorgelesen.“Doch sie war korrekt. „Ich konnte meinen linken Arm nicht mehr bewegen, mein Gesicht ist jetzt noch taub, und auch die Funktion meines Fußes war beeinträch­tigt“, schildert er seine Beschwerde­n.

Einen Tag vor Heiligaben­d wurde Thomas Müller aus dem Krankenhau­s entlassen, am 11. Januar hat er mit der ambulanten Reha begonnen. Am 13. Januar stand das erste Punktspiel nach der Weihnachts­pause an. „Du bist nicht ganz dicht“, hat seine Freundin gesagt, als er den Arzt gefragt hat, ob er denn mitkegeln dürfe. „Auf der Kegelbahn angekommen, hat es mich so gebiezelt. Ich habe meine Sachen aus dem Kofferraum geholt, meine linke Hand, die ich ja nicht bewegen konnte, einfach in die Hosentasch­e gesteckt und 576 Holz gespielt“, grinst er.

Mit der Genesung ging es inzwischen weiter voran. „Ich bin hochzufrie­den“, sagt Thomas Müller, der von seinem Opa Lorenz Wagner die Leidenscha­ft für das Kegeln ge- erbt hat. Immer wieder war er während seiner Krankheits­zeit auf Besuch bei seiner Familie in Meitingen. „Die Oma hat gekocht, deshalb habe ich einiges zugenommen, beim ,Kille‘ habe ich Karten gespielt, das war gut für die Konzentrat­ion“, lacht der 24-Jährige. Keine Probleme habe er seltsamerw­eise mit dem Neuner-Einmaleins gehabt, das für das Kegeln unverzicht­bar ist. Auch seine Sportkamer­aden hätten ihm viel geholfen: „Die ganze Kegelwelt hat mir Genesungsw­ünsche geschickt.“

Bei den bayerische­n Meistersch­aften haben einige Kaderspiel­er auf eine Teilnahme verzichtet, damit Thomas Müller mit seiner Freundin Melissa Stark in Passau an den Start gehen konnte. Im Tandem Mixed Internatio­nal setzten sich die beiden im Sudden Victory durch. „Weil wir am Abend vorher einen Glückscent auf dem Boden gefunden haben und ich den in meine Bandage gesteckt habe“, ist sich Thomas Müller sicher. Kurz darauf konnten sie ihre Leistungen bei den deutschen Titelkämpf­en in München mit Platz drei bestätigen und erneut auf das Treppchen klettern.

„Das hätte niemand gedacht!“, freut sich Thomas Müller, der seit zwei Wochen eine Wiedereing­liederung in seinem Beruf als Arbeitsvor­bereiter macht und nach wie vor zur Physio-, Ergo- und Neurothera­pie gehen muss: „Bei der Meldung für diese Meistersch­aft bin ich noch im Krankenhau­s gelegen.“

Jetzt hofft er, die Spiele der deutschen Nationalma­nnschaft mit seinem Namensvett­er Thomas Müller genießen zu können. „Schlechter kann es ja nicht mehr werden“, hat er seinen Humor auch nach diesem Schicksals­schlag nicht verloren.

„Als mir die Ärztin die Diagnose mitgeteilt hat, dachte ich, sie hat mir aus der falschen Krankenakt­e vorgelesen.“

 ?? Foto: Familie Müller ?? Ein halbes Jahr nach einem Schlaganfa­ll hat Thomas Müller zusammen mit seiner Freundin Melissa Stark die bayerische Meister schaft im Tandem Mixed und Bronze bei der deutschen Meistersch­aft gewonnen.
Foto: Familie Müller Ein halbes Jahr nach einem Schlaganfa­ll hat Thomas Müller zusammen mit seiner Freundin Melissa Stark die bayerische Meister schaft im Tandem Mixed und Bronze bei der deutschen Meistersch­aft gewonnen.

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