Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Werden und Vergehen
Sonnwendfeuer – Johannisfeuer. Sie markieren einen Wendepunkt im Jahreslauf. Die Kirche hat auf den 24. Juni den Geburtstag von Johannes dem Täufer gelegt. Natürlich ist dieses Datum kein historisches, sondern ein theologisches, ebenso wie die Geburt Jesu auf den 24. Dezember gelegt wurde. Die beiden „Lichtgestalten“des Neuen Testaments werden mit der Symbolik des Lichtes geboren.
In unseren Breitengraden werden mit dem Licht Christi an Weihnachten die Tage immer heller, mit dem Fest von Johannes dem Täufer nehmen die Tage langsam wieder ab. Es entspricht dem, was Johannes von sich und seiner Beziehung zu Jesus salopp gesagt so ausdrückt: Er muss zunehmen, ich muss abnehmen. In der Gestalt des Johannes lässt sich das große Himmelsgeschehen der Sommersonnwende auch auf uns Menschen hin deuten. Wir alle wachsen und vergehen. In der Hochphase unseres Lebens liegt bereits unser Vergehen.
Ich entdecke dieses Naturgesetz in diesen Tagen auch bei meinen Bienen: Jetzt bei Johanni ist „der Bien“auf der höchsten Stufe seiner Entwicklung. Doch nach der Sonnwende beginnt bereits das Vergehen, die Volksstärke nimmt kontinuierlich ab. Ein Kreislauf von Werden, Wachsen und Vergehen.
Wenn wir als Menschen in dieses Naturgesetz einstimmen und uns nicht dagegenstemmen, dann werden wir eins mit der Natur, dann sind wir im Fluss des Lebens. Und wenn wir im Fluss des Lebens sind, dann kann Gott in uns Raum gewinnen, weil wir uns einlassen in den göttlichen Rhythmus.
Vielleicht liegt darin auch ein Geheimnis des Lebens: Dass inmitten der Sommerpracht schon das Vergehen anklingt. Dass inmitten des prallen Lebens sich schon unser eigenes Vergehen ankündigt. Nicht als Drohung, sondern als Ermutigung, das Heute bewusst zu leben und anzunehmen, wie es ist.