Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Giftige Raupen: Explosionsartige Vermehrung
Eichenprozessionsspinner Es werden immer mehr. Experten sagen, was Sie jetzt beachten sollten
Landkreis Augsburg Noch nie war der Eichenprozessionsspinner im Landkreis so verbreitet wie in diesem Jahr. Was bedeutet das für die Menschen? Und wird es in Zukunft noch schlimmer? Wir haben versucht, mithilfe von Experten die wichtigsten Fragen zu klären. Unsere Ansprechpartner waren Hubert Droste, Betriebsleiter der Bayerischen Staatsforsten in Zusmarshausen, und Dr. Ralf Petercord von der Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft in Freising.
Wie sehr hat sich der Eichenprozessionsspinner (EPS) im Augsburger Land ausgebreitet?
Er hat sich seit dem Frühjahr explosionsartig vermehrt. Mittlerweile finden wir ihn über den gesamten Betriebsbereich verbreitet: vom Norden in Holzheim bis nach Schwabegg. Die Befallsintensität ist von Nord nach Süd abnehmend. Zahlreiche Alt-Eichen entlang der Wege wie auch im Inneren des Waldes sind befallen. Selbst in jüngeren Beständen ist er zu finden.
Wie erkennt man ihn?
Zur Zeit ist er erkennbar an den meist handtellergroßen Häutungsresten, die in einem Gespinstnest im Kronenraum zu finden sind.
Ist es gefährlich, in den Wald zu gehen?
Wer allgemeine Vorsichtsregeln beachtet und Eichen meidet bzw. sich unter den Alt-Eichen nicht länger aufhält, kann sich gerne im Wald erholen. Dort, wo eine besondere Gefahrenlage entsteht, informieren die Staatsforsten die Kommunen, sperren die Bereiche und leiten Bekämpfungsmaßnahmen (Absaugen der Nester) ein. Gesperrt ist nun auch der Waldspielplatz und Grillplatz am Föhrenberg bei Biburg.
Wie gefährlich ist der Spinner wirklich?
Der EPS bildet ab dem dritten Raupenstadium mikroskopisch kleine Brennhaare aus. Diese sind gefüllt mit einem Protein, es handelt sich um ein wirksames Abwehrmittel gegen Fressfeinde. Kommt ein Mensch mit den Brennhaaren in Kontakt, wird er eine allergische Reaktion zeigen. Das kann ein stark juckender Hautausschlag sein, Schleimhautentzündung, Bronchitis, Bindehautentzündung, Atemnot und schlimmstenfalls anaphylaktischer Schock.
Geht von ihm eine besondere Gefahr für Allergiker aus?
Ja! Die Raupe mit ihren Haaren anzufassen, ist fahrlässig.
Aber können abgebrochene Haare nicht auch durch den Wind auf die menschliche Haut gelangen?
Ja selbstverständlich. Der Wind ver- breitet die Haare. Je näher sie an der Quelle sind, desto höher das Risiko. In diesem Zusammenhang eine Klarstellung: Die sichtbaren Haare sind unproblematisch. Behaarte Raupen sollten aber nicht angefasst werden, dies gilt für alle Raupen.
Es gibt immer wieder Gerüchte, dass sich der EPS von Bäumen auf Menschen fallen lässt. Stimmt das?
Nein, aber die Raupe kann bei Störung die Haare aktiv „abschießen“.
Was ist zu tun, wenn der EPS entdeckt wird?
Wenden sie sich an das zuständige Ordnungsamt ihrer Gemeinde. Grundsätzlich sollten Sie zu befallenen Bäumen Abstand halten – Kinder informieren, Warnhinweise aufstellen und letztlich eine Fachfirma mit dem Absaugen der Gespinste und Häutungsreste beauftragen.
Wie wird man die Raupen wieder los?
Mechanisches Entfernen der Verpuppungsnester und Häutungsnester durch Absaugen. Das sollte unbedingt eine Fachfirma übernehmen. Oder Einsatz von zugelassenen Insektiziden Anfang Mai, wenn die Raupen im ersten oder zweiten Raupenstadium sind. Ab dem dritten Stadium ist der Einsatz nicht mehr sinnvoll, weil dann schon Brennhaare ausgebildet wurden.
Muss ich am Ende dafür bezahlen, dass er abgesaugt wird?
Ja natürlich, es handelt sich doch um Ihren Garten, Ihr Eigentum. Sie sollten sich trotzdem Hilfe beim Ordnungsamt holen. Alle Nachbarn ha- ben das gleiche Problem und eine gemeinsam vom Ordnungsamt organisierte Absaugaktion ist günstiger.
Wer kann mir helfen? Gibt es Ansprechpartner?
Grundstückseigentümer oder Betroffene wenden sich an das Ordnungsamt der Gemeinde, Waldbesitzer an das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Welche natürlichen Feinde hat der EPS?
Insbesondere Schlupfwespen und Raupenfliegen, die Eier in oder an die EPS-Raupen legen und deren Larven die Raupen fressen. Käfer, die Raupen fressen, z. B. der Große und Kleine Puppenräuber, Vögel und Fledermäuse, die die Falter fressen. Vögel fressen die Raupen aufgrund der Brennhaare nicht, bis auf Ausnahmen wie den Kuckuck.
Ist die mechanische Bekämpfung, also das Absaugen, effektiv?
Sie können damit zumindest das Risiko deutlich reduzieren. Sicherlich finden sich trotzdem noch unentdeckte Reste. Im nächsten Jahr sind bestimmt wieder Raupen da.
Hat ein Abbrennen der Nester Sinn?
Nein! Damit verteilt man nur Haare.
Gibt es eine besondere Vorgehensweise an Schulen oder Kindergärten?
Nein. Man sollte die Kinder aber für das Risiko sensibilisieren – die Raupenprozessionen sind halt sehr faszinierend. Es hat schon Fälle gegeben, in denen Kinder mit herabgefallenen Gespinstnestern Fußball gespielt ha- ben – auch keine wirklich gute Idee. Man muss die gefährdeten Bereiche sperren, den Kindern das Risiko erklären und die Gespinstnester und sonstigen Reste konsequent absaugen.
Macht es Sinn, Unterricht oder Spielzeit im Freien abzusagen, wenn der EPS in der Nähe ist?
Ja. Man sollte die Gefahr grundsätzlich meiden und Abstand halten.
Warum hat sich der EPS in diesem Jahr so rasant vermehrt?
Wir beobachten diese Entwicklung schon seit der Jahrtausendwende. Wärmeliebende Insekten profitieren vom Klimawandel und dieses Jahr war besonders günstig durch die warme Witterung im April und Mai. Dadurch war die natürliche Sterblichkeit deutlich geringer.
Wann machen die Raupen die Flatter, wie lange bestehen noch die EPSWarnungen?
Die Raupen beginnen sich jetzt zu verpuppen und in gut vier Wochen fliegen dann die Falter zur Eiablage wieder in die Eichenkronen. Die Gefahr bleibt aber erhalten, da die Gespinstnester und Häutungsreste voll mit Brennhaaren sind.
Droht uns im nächsten Jahr unter Umständen ein ähnliche EPS-Jahr?
Davon ist leider auszugehen. Vielleicht hilft der Witterungsverlauf ein wenig, aber im Klimawandel müssen wir mit dem EPS weiterhin rechnen. Die beste Abhilfe ist die konsequente Reduktion der CO2-Emissionen, um den weiteren Anstieg der Temperaturen zu verhindern.