Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie Wildwuchs der Natur guttut
Umwelt Ein Bio-Bauer kritisiert: Das regelmäßige Mulchen der Kommunen zerstört die Lebensgrundlage von Insekten und Vögeln. Was die Gemeinden dagegen tun können
Zusmarshausen Steinekirch Schmetterlinge sind ein Indikator einer gesunden Umwelt. Sie sind neben den Bienen wichtige Bestäuber und dienen Vögeln als Nahrung. Deshalb weiß Bio-Bauer Hermann Steinbacher aus Steinekirch die Raupen in den Brennnesselgebüschen rund um sein Ackerfeld zu schätzen. Dort tummeln sich etwa 1000 Stück, meint er. „In den letzten fünf Jahren haben sich die Brennnesseln stetig vermehrt - und mit ihnen auch die Population der Schmetterlinge“, sagt Steinbacher. Dass auf seinem Grundstück ein solch seltenes Biotop entstehen konnte, sei dadurch zu erklären, dass dort nur noch so viel wie unbedingt nötig entlang seines Ackers gemulcht wird. Mulchen bedeutet: abmähen und liegen lassen.
Die Grünstreifen entlang der Straßen sind meist im Gemeindebesitz und müssen auch von dieser gepflegt, also gemulcht werden. Doch auch die Bauern mähen teilweise über ihr Land hinaus und bearbeiten somit Gemeindebesitz entlang der Feldstraßen. Dies wird meist von den Gemeinden nicht nur geduldet, sondern gewünscht, da dadurch Kosten eingespart werden können.
Steinbacher kritisiert diese gängige Praxis: „Es wird nicht darauf geachtet, ob das Mulchen an gewissen Stellen ökologisch und auch finanziell sinnvoll ist.“Nicht nur würden Lebensraum und Nahrungsgrundlage für viele Insekten und damit auch Vögel zerstört werden, sondern die Gemeinde gebe dafür aktiv Geld aus. Steinbacher wünscht sich von der Gemeinde und den umliegenden Bauern in Zusmarshausen daher, „mehr Mitverantwortung für die Bewahrung der Schöpfung und Biodiversität zu übernehmen“.
Susanne Hippeli, Biologin und ehemalige Gemeinderätin aus Zusmarshausen, spricht sich ebenfalls gegen das sinnlose Mulchen aus: „Das Problematische dabei ist, dass das abgemähte Grün liegen bleibt und so nichts mehr blühen kann.“Um die Schmetterlinge dennoch auf dem Ackerland mit Blüten zu versorgen, habe Steinbacher zum Beispiel vor zwei Jahren extra Buchweizen gepflanzt. Außerdem gehe laut Hippeli das unnötig abgemähte Material als Dünger in den bereits überdüngten Boden über. „Schon jetzt müsste man auf globaler Ebene 20 Jahre mit dem Düngen aufhören, um die Stickstoffwerte der Böden zu normalisieren.“Diese Stickstoffüberschüsse würden Land, Wasser und Luft belasten.
Der Gemeinderat des Nachbar- orts Altenmünster beschäftigte sich bereits mit demselben Problem. „Die konsequenteste Lösung wäre, das abgemähte Gras abzusaugen und wegzufahren, aber das ist praktisch nicht umsetzbar“, sagt Bürgermeister Bernhard Walter.
Es mangele hauptsächlich am Geld, da für die zusätzlichen Arbeiten andere Maschinen und mehr Personal benötigt würden. Dies könne sich die Gemeinde nicht leisten. „Stattdessen wird nun zumindest der Zeitpunkt des Mähens nach hinten gelegt. Statt im Mai werden einige Flächen erst im Juli gemulcht, sodass die erste Blüh- und Brützeit vorbei ist. An manchen Stellen lassen wir es gleich ganz bleiben.“So ließe sich bereits mit einfachsten Mitteln die Situation verbessern.
Bio-Bauer Steinbacher ist überzeugt, eine Lösung des Problems könne es nur geben, wenn sich Ortsbauern und Gemeinden diesbezüglich abstimmten und taktischer als bisher vorgingen. „Den Impuls müssten eigentlich die Gemeinden setzen. Wo dies nicht der Fall ist, sollten aber auch Bauern aktiv werden.“
Brigitte Scholz, Sprecherin des Bayerischen Bauernverbands bestätigt: „Für solche Arbeiten wie das Mulchen ist eine gute Kommunikation zwischen Ortsverband und Gemeinde sehr wichtig. Trotzdem muss die Gemeinde, als Besitzer der entsprechenden Grünstreifen, auf die Bauern zugehen.“
Übrigens: Die ersten bunten Schmetterlinge auf Steinbachers Feld sind bereits geschlüpft und können bei einem Spaziergang nahe des Bettenbachs zwischen Zusmarshausen und Steinekirch bewundert werden.