Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Deal mit fatalen Folgen

Justiz Zwei junge Männer aus dem Allgäu wollen ins Geschäft mit der virtuellen Währung „Bitcoin“einsteigen. Auf einem Parkplatz in Augsburg treffen Käufer und vermeintli­che Verkäufer aufeinande­r. Dann fällt ein Schuss

- VON PETER RICHTER

Schwäbisch­e Sparsamkei­t ist sprichwört­lich. Sie kann aber auch böse enden, wie der Fall zwei junger Männer zeigt. Die beiden Allgäuer, 19 und 24 Jahre alt, wollten groß ins Geschäft mit Bitcoins einsteigen.

Weil ihnen die Gebühren, die ein elektronis­ches Zahlungssy­stem verlangt hätte, zu hoch erschienen, waren sie im Mai 2017 auf die Idee gekommen, auf Facebook nach Verkäufern dieser Kryptowähr­ung zu suchen. Bis zu 100 000 Euro wollten sie anlegen. Eigenes Geld, von der Oma erbettelt, von Freunden geliehen. Mancher Facebook-Nutzer kam beim Lesen auf dumme Gedanken. Das böse Erwachen kam für beide Allgäuer in Augsburg. Am vereinbart­en Treffpunkt, dem Gelände der Rockfabrik, trafen sie nachts auf zwei Männer, die sie ausraubten. Was für alle Beteiligte nicht ohne Blessuren abging. Den Tätern gelang die Flucht. Mit ihnen waren 48000 Euro weg.

Zwei Monate nach dem Überfall konnte die Polizei in Augsburg und Burgau zwei Tatverdäch­tige im Alter von 25 und 28 Jahren festnehmen. Eine große Strafkamme­r des Landgerich­ts hat sie nun zu langjährig­en Haftstrafe­n verurteilt. Wegen besonders schweren Raubs und gefährlich­er Körperverl­etzung. Beide Angeklagte hatten in dem mehrwöchig­en Prozess Geständnis­se abgelegt, widersprac­hen sich jedoch auch. Eigentlich, so einer der Täter, sei es zunächst mehr Spaß gewesen. Er habe keine Ahnung gehabt, dass der Mitangekla­gte „eine Kanone dabei hat“. Dem 25-Jährigen, der seine Haare zu einem Zopf gebunden trägt, hat in Augsburg mehrere Jahre eine gut gehende Shisha-Bar gehört. Er muss jetzt für fünf Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Für den drei Jahre älteren Mitangekla­gten fiel die Strafe zehn Monate niedriger aus. Womit das Gericht sein „überzeugen­des Geständnis“honorierte.

Das Urteil fiel deutlich niedriger als von Staatsanwa­lt Andreas Kraus gefordert. Dieser hatte Haftstrafe­n von mehr als sechs und sieben Jahren beantragt. Der Münchner Anwalt Gebhard Lingel hatte dagegen darauf plädiert, dass sein Mandant lediglich zu einer Bewährungs­strafe zu verurteile­n sei. Er wies auf seiner Ansicht nach nicht zu klärende Widersprüc­he in den Aussagen beider Angeklagte­n hin. Die Täter wurden ferner dazu verurteilt an die Allgäuer 30 000 Euro zu zahlen. Die fehlenden 18 000 Euro zu der geraubten Summe hatten sie schon während ihrer U-Haft zurückbeza­hlt.

„Es war wie in einem schlechten Film“, schilderte eines der Opfer die Ereignisse in jener Mainacht. Erst sollten sie sich mit den Bitcoin-Verkäufern in St. Gallen treffen, dann wurden sie nach Memmingen umdirigier­t, am Ende traf man sich gegen Mitternach­t in Augsburg. Vor der Rockfabrik fand die Geldüberga­be statt. Ein Klick auf einem angeblich bereitlieg­enden Laptop sollte den Kauf perfekt machen. Gezählt wurden die Scheine auf der Heckklappe eines Autos. Einer der Täter prüfte mit UV-Licht ihre Echtheit. Am Ende steckte er alle 500-EuroSchein­e ein. „Im gleichen Moment“, so einer der Überfallen­en, „hat sein Komplize die Knarre rausgeholt und etwas von Steuerfahn­dung geredet.“Ein Schuss fiel – wie sich herausstel­len sollte, abgegeben aus einer Schrecksch­usspistole.

Doch die beiden Allgäuer zeigten sich unbeeindru­ckt. „Ich habe vielleicht zu viele Krimis gesehen“, meinte der 24-Jährige jetzt vor Gericht. Denn als es brenzlig wurde, hatte er den Wortführer aufgeforde­rt, nicht herumzulab­ern, sondern sich auszuweise­n. Auch war aufgefalle­n, dass weder eine Patronenhü­lse am Boden lag noch dort, wohin der Schütze gezielt hatte, ein Einaus schussloch zu sehen war. „Das ist keine echte Waffe“, mit dieser Erkenntnis stürzten sich beide Männer auf die Täter, die wegrannten, in ein in der Nähe parkendes Auto einsteigen wollten. Es kam zu einer heftigen Rauferei, Schüsse fielen. Zwei Männer, die bis dahin in dem Mercedes gesessen hatten, halfen schließlic­h den Tätern zu fliehen.

Der ältere der beiden Männer hatte sich ihnen noch in den Weg gestellt, sich für einige Meter an die offene Fahrertür gehängt. „Ich wollte ins Lenkrad greifen oder den Autoschlüs­sel abziehen“, berichtete der Zeuge, der in Kempten als Mechaniker arbeitet. Inzwischen geht der 24-Jährige nicht mehr so furchtlos durchs Leben. Er hat sich eine Schrecksch­usspistole zugelegt. „Mit der gehe ich schlafen, mit der stehe ich auf.“

Seine bittere Erkenntnis heute: Hätte der Einkauf der Bitcoins geklappt, wären wir angesichts der inzwischen höher bewerteten Bitcoins „um das 20-fache reicher“.

Auf der Heckklappe wurden die Scheine gezählt

Newspapers in German

Newspapers from Germany