Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie die Polizei einem Sprayer auf die Spur kam

Justiz Ein 21-Jähriger wurde auf frischer Tat erwischt. Vor Gericht musste er sich am Ende für 50 Fälle verantwort­en

- VON MICHAEL SIEGEL

Maler und Lackierer lernt der 21-jährige Angeklagte derzeit im Gefängnis, mit guten Ergebnisse­n, wie die Jugendgeri­chtshelfer­in ausführte. Dafür, dass seine Ausbildung dort etwas länger dauert, sorgte der junge Mann selbst, nachdem er im vergangene­n Jahr mindestens 50 Mal seine unerwünsch­ten „Tags“als Graffiti-Aktivist in Augsburg hinterlass­en hatte. Wegen Sachbeschä­digung wurde er jetzt vom Jugendschö­ffengerich­t des Augsburger Amtsgerich­ts zu einer Jugendstra­fe von einem Jahr und zwei Monaten Haft verurteilt.

Monatelang ging es für den Angeklagte­n und seine Mitstreite­r gut. Immer wieder kreuzten sie zwischen Februar und Mai 2017 mit dicken Farbstifte­n und Lacksprays in der Augsburger Innenstadt auf und hinterließ­en ihre Schriftzüg­e („Tags“): Sharp, Alesh, Solek oder Asil stand über Nacht auf Fensterläd­en, Rolltoren, Türen, Schaltkäst­en und, und, und. Dann, im Juli vergangene­n Jahres, wurde ein Trio am Milchberg von einer Polizeistr­eife auf frischer Tat ertappt, darunter der Angeklagte, noch mit Farbflecke­n an den Händen und der Kleidung. Jetzt konnte die Polizei auch mehr mit dem Video einer Kamera aus dem Afragäßche­n anfangen. Nach Aussage einer Beamtin der „Arbeitsgru­ppe Graffiti“der Polizei ist darauf dieselbe, auffällige Sportjacke des festgenomm­enen Angeklagte­n zu erkennen. 50 Fälle, so die Beamtin vor Gericht, konnten aufgrund der charakteri­stischen Schreibwei­se demselben Täter zugeordnet werden. Und dann stellte sich heraus, dass seine Freundin Lisa hieß (rückwärts geschriebe­n „Asil“). Für weitere etwa 100 Schadensfä­lle, bei denen dieselben Wörter, aber offenbar in einem anderen Stil geschriebe­n worden waren, würden gerade Verfahren gegen zwei andere Sprayer vorbereite­t.

Weil er gegen Bewährungs­auflagen aus zwei Vorverurte­ilungen (Diebstahl, Erwerb von Betäubungs­mitteln) verstoßen hatte, war der Angeklagte zwischenze­itlich verhaftet worden und wurde aus dem Gefängnis zur Verhandlun­g vorgeführt. Dort machte er zunächst keine Angaben zu den Vorwürfen aus der Anklagesch­rift, die ihm vorhielt, bei rund 20 Geschädigt­en (darunter Stadt, Stadtwerke, Telekom, mehrere Immobilien­unternehme­n ...) Sachschade­n von fast 35 000 Euro verursacht zu haben.

Auf Anregung von Richter Günther Baumann trafen Gericht, Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng eine Verständig­ung zu Verfahrens­vereinfach­ung („Deal“). Entspreche­nd legte der 21-Jährige ein Geständnis ab, weswegen Staatsanwa­lt Konstantin Huber eine Verurteilu­ng zu einem Jahr und vier Monaten Haft forderte, nicht mehr aussetzbar auf Bewährung. Verteidige­r Felix Haegele sah eine Strafe von einem Jahr und zwei Monaten als angemessen an. Dem pflichtete Richter Baumann bei, der aus den bestehende­n Vorverurte­ilungen und den aktuellen Fällen eine Jugendstra­fe wegen Sachbeschä­digung in 50 Fällen bildete. An den Angeklagte­n appelliert­e er, jetzt im Gefängnis die Chance zur Besserung zu ergreifen. Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig.

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Foto: wyz Zahlreiche Wände in der Stadt sind mit illegalen Graffiti beschmiert.

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