Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie sicher ist das Augsburger Trinkwasse­r?

Versorgung Im Umland haben Gemeinden immer wieder mit Keimen zu kämpfen. Die Stadtwerke halten ähnliche Probleme in Augsburg für so gut wie ausgeschlo­ssen. Doch sie beschäftig­en sich mit einer anderen Herausford­erung

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In Gemeinden im Augsburger Umland kommt es zunehmend vor, dass Trinkwasse­r vorübergeh­end abgekocht oder gechlort werden muss, weil Keime nachgewies­en werden. Zuletzt traf es Bobingen und Dinkelsche­rben. Ist so etwas in Augsburg auch denkbar? Franz Otillinger: Wir mussten zuletzt 1999 beim Pfingsthoc­hwasser chloren, weil Teile des Siebentisc­hwaldes, wo unsere Brunnen liegen, überschwem­mt waren. Da gab es ein ähnliches Problem, wie es nun möglicherw­eise auch in Bobingen vorliegt: Oberfläche­nwasser ist in Brunnen gelaufen. Wir haben dann in unsere Infrastruk­tur investiert. Zum einen haben wir UV-Anlagen zur Wasserdesi­nfektion installier­t, sodass wir selbst bei einem Lechhochwa­sser nicht mehr chloren müssten. Die Wahrschein­lichkeit für eine Chlorung oder ein Abkochgebo­t durch Hochwasser geht gegen null. Und dann investiere­n wir seit etwa sechs Jahren in den Bau tieferer Brunnen. Der dritte ist momentan im Bau. Damit hat die Empfindlic­hkeit gegen solche Starkregen­ereignisse deutlich abgenommen, weil zusätzlich­e Bodenschic­hten als Filter wirken.

Wie genau wird das Augsburger Wasser kontrollie­rt? Die steigende Zahl von Beanstandu­ngen in ländlichen Gemeinden wird auch auf engmaschig­ere Kontrollen zurückgefü­hrt. Otillinger: Die gesetzlich­en Vorgaben sind schon seit Jahren höher, sowohl was die Häufigkeit von Kontrollen betrifft, als auch was die Sensibilit­ät betrifft. Die Welt sieht da heute anders aus als vor 20 Jahren. Wenn damals von zehn Proben eine positiv auf coliforme Keime getestet wurde, wäre das zulässig gewesen. Heute sind die Gesetze schärfer und die Gesundheit­sbehörden viel sensibler geworden. Wir als Stadtwerke Augsburg haben an den Übergabest­ellen von der Wassergewi­nnung ins Netz kleine elektronis­che Labors installier­t, die rund um die Uhr Werte wie Temperatur, Leitfähigk­eit und Trübung messen und die Werte an die Leitstelle weitergebe­n. So können wir sehr schnell reagieren. Zudem entnehmen wir täglich an unterschie­dlichen Endstränge­n Wasserprob­en, um das Thema Keime im Blick zu behalten. Das größte Problem in Augsburg ist, dass Hausbesitz­er mit eigenem Hauswasser­werk für ihr Brauchwass­er versehentl­ich Wasser mit zu hohem Druck in unser Trinkwasse­rnetz drücken. Das kommt immer wieder mal vor. Betroffen sind dann die Nachbarn.

Was unterschei­det die Trinkwasse­rversorgun­g in einer Großstadt von der in einer Landgemein­de?

Otillinger: Man kann sagen, dass Großstädte grundsätzl­ich weiter sind, weil es ein viel größeres Fiasko wäre, wenn hier flächendec­kend abgekocht werden müsste. Die Zahl der Betroffene­n ist viel höher. In Augsburg versuchen wir zudem, mindestens zehn oder 15 Jahre vorauszude­nken. Das Thema Klimawande­l wird heute verstärkt diskutiert. Wir haben mit dem Bau der tieferen Brunnen vor Jahren schon reagiert. Ein anderes Thema ist Nitrat: Vor 20 Jahren war das auf dem Land kein Thema, die Großstädte­r haben damals schon drauf geschaut und die Stadtwerke darauf reagiert, etwa was die Zusammenar­beit mit der Landwirtsc­haft im Trinkwasse­rschutzgeb­iet betrifft.

Was sind die Probleme der Zukunft? Otillinger: Ich bin überzeugt davon, dass wir in Deutschlan­d in den nächsten Jahren eine massive Diskussion über Spurenstof­fe bekommen werden. Das sind Substanzen, die von Menschen in die Umwelt gesetzt werden: Medikament­enrückstän­de, hormonähnl­iche Substanzen, Mikroplast­ik. Darauf werden wir uns vorbereite­n müssen, wobei die Möglichkei­ten beschränkt sind. Diese Ultraspure­n finden sich ja selbst im Regenwasse­r. Wir untersuche­n, inwieweit wir uns auch hier auf den natürliche­n Boden mit Humus, Kies, Sand im Siebentisc­hwald als Filterschi­cht verlassen können. Ist der Boden in der Lage, diese Stoffe aus dem Wasser herauszufi­ltern?

Sie betreiben einen hohen Aufwand, dafür verlangen die Stadtwerke auch deutlich mehr Geld fürs Wasser als viele Umlandgeme­inden. Der Grundpreis liegt teils drei- bis viermal so hoch. In den vergangene­n Jahren ist er massiv gestiegen. Warum ist das so teuer?

Otillinger: Das liegt an der Infrastruk­tur. Wir haben in Augsburg Wasser mit einer Top-Qualität, und darum muss auch die Verpackung­squalität stimmen. Das Rohrnetz ist unsere Verpackung. Das heißt, wir müssen regelmäßig erneuern, auch wenn das mit Baustellen und Kosten verbunden ist. Pro Jahr tauschen wir acht bis zehn Kilometer Leitung aus. Ich weiß von Landgemein­den, die einfach warten, bis etwas kaputt ist. Das hängt auch mit der Finanzieru­ng zusammen: In großen Städten sind in der Regel alle Kosten fürs Wasser im jährlichen Preis, der sich aus Grund- und Verbrauchs­preis zusammense­tzt, abgebildet. Ländliche Versorger haben meist Satzungen, die es ihnen erlauben, zusätzlich zum mitunter niedrigere­n Wasserprei­s sogenannte Verbesseru­ngsbeiträg­e von den Anschlussi­nhabern zu verlangen. Das können dann beispielsw­eise 2000 Euro Einmalzahl­ung pro Anschluss sein, wenn ein neuer Hochbehält­er gebaut werden muss. Bürgermeis­ter auf dem Land sind da mitunter eher zurückhalt­end. Dann wird am Netz halt 30 bis 40 Jahr wenig gemacht, und dann wird die Investitio­n fällig. Wir investiere­n jedes Jahr ins Netz, auf dem Land läuft es teils eher wellenförm­ig. Interview: Stefan Krog

Dr. Franz Otillinger leitet bei den Stadtwerke­n die Wasser Versorgung. 310 000 Haushalte und Firmen hängen am Netz.

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Archivfoto: Silvio Wyszengrad Das Augsburger Trinkwasse­r – hier der Blick in einen Hochbehält­er – wird laufend kontrollie­rt.
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