Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Schreckmoment mit Blue Jeans
Neulich ein Erlebnis im Supermarkt: Ich saß in einer „Shopin-Shop“-Bäckerei bei einer Tasse Kaffee und einem „Nusshörnle“, als ein älteres Ehepaar (ungefähr zwischen 65 und 70) den Markt betrat. Der Mann schob den Einkaufswagen. Als die Ehefrau Anstalten machte, zur Bäckereitheke zu gehen, um etwas zu kaufen, sagte der Ehemann in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet: „Brezga nemmer nochert mit.“
Ich besah mir den Mann und dachte: „Leicht hat’s die Frau mit dem nicht.“Was mir an dem Mann am meisten auffiel, war seine Jeans. Wahrscheinlich in Größe 38/30 für die 1,75 Meter Größe und die 130 Kilogramm Gewicht. Diese Hose sah aus, als ob sie direkt aus der Kleiderhölle stammte. Der „Designer“verdiente ein lebenslanges Berufsverbot. Ein Schnitt war bei der Hose nicht zu erkennen, zu allem Übel war es eine „Hochwasserjeans“, das heißt, die Beine endeten 15 Zentimeter über dem Knöchel. Ich vermute, dass diese Jeans aus der Krabbeltheke eines Discounters stammte. Mehr als 9,90 Euro konnte das „edle“Stück nicht wert sein.
In dem Moment, als ich den Mann in dem scheußlichen Beinkleid sah, wurde mir klar, dass die Jeans jede Aura des Unkonventionellen und des Rebellischen längst eingebüßt hatte – wie Bob-DylanSongs, mit denen Supermärkte beschallt wurden.
Was hatte die Jeans einst dem modebewussten jungen Mann be- deutet! Ich bekam meine erste Jeans 1964, gekauft haben sie mir meine Eltern bei „Eberle und Strobl“an der Wertachbrücke, damals primär ein Laden für Arbeitskleidung. 14 Mark hat das Stück gekostet. Die erste Levi’s 501 erstand ich einige Jahre später im Westernstore in der Annastraße. Dazu trug man vorzugsweise einen Parka. Die Jeans wurde gehütet wie ein Schatz.
Irgendwann später kamen dann die Jeans-Modelle mit den Löchern auf den Markt. Vielleicht waren die für das modische Überleben der Hose wichtig. Meine Mutter, Gott hab sie selig, hätte aber nie akzeptiert, dafür dann das Doppelte zu bezahlen.
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An dieser Stelle blickt der Kabarettist Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.