Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Klatschen zwischen den Sätzen?
Kammerkonzert der Philharmoniker
Klatschen oder nicht klatschen – das war hier die Frage. Zwischen den Teilen eines zusammenhängenden Werkes herrscht in klassischen Konzerten Ruhe – so der allgemeine Brauch. Doch nach bravourösen, virtuosen oder im Fortissimo endenden Sätzen hängt der Applaus oft regelrecht in der Luft. Jeder würde gerne, keiner wagt es. In der 5. und letzten Kammermusikmatinee vor der Sommerpause des Theaters Augsburg tat es das Publikum einfach – nicht immer zur Freude der Musiker, die vielleicht den einen oder anderen Satz gerne attacca gespielt hätten. Mit Beifall dazwischen zerbricht der Bogen. Aber eine Würdigung des eben Gespielten bleibt er doch.
Der Abschluss dieser Saison im Rokokosaal wurde am Sonntagvormittag für Kammermusik-Verhältnisse ungewöhnlich orchestral. F. Mendelssohn-Bartholdys Oktett op. 20 und P. Tschaikowskys Sextett op. 70 – jeweils für Streicher – waren sinfonisch angelegt und hatten viele weitere Gemeinsamkeiten, trotz beinahe 40 Jahren Altersunterschied. Mendelssohn komponierte sein Oktett 1825 im Alter von erst 16, ein Jahr vor seinem Sommernachtstraum, auch hier spukte es. Das im Pianissimo über Stock und Stein galoppierende Scherzo wurde durch die Walpurgisnacht in Goethes „Faust“inspiriert und trug seinen Impetus ins folgende Presto hinein, bevor es in das Fugato mit Bach-Zitat mündete. Ein jugendliches Drängen durchzog den Vierteiler, zusammen mit der berührenden, auch klanglichen Milde, die später seine Oratorien so prägen wird. Hätte Mozart länger gelebt, hätte er vielleicht ähnlich komponiert: Das Oktett Mendelssohns wirkte streckenweise wie sein direkter Nachkomme.
Tschaikowskys Sextett dagegen klang manchmal à la française. Der Komponist war in ganz Europa zu Hause, besonders in Frankreich. Sein Sextett ist aber auch eine Verbeugung vor Florenz, komponiert 1892 nach einem Aufenthalt dort. Im Klangbild oft wesentlich orchestraler als Mendelssohn sind vor allem 1. Geige und Cello solistisch gefordert. Agnes Malich und Johannes Gutfleisch duettierten mit Glut und Klangfülle und auch das übrige Ensemble – Jane Berger (Violine), Chialong Tsai, Johanna Lippe (Viola), Susanne Gutfleisch (Cello) – spielte mit vollem Einsatz, die Instrumente wurden im Fortissimo bis an ihre klangliche Grenze gefordert. Den Musikern der Augsburger Philharmoniker, die im Oktett um die Violinistinnen Dace Salmina-Fritzen und Ziva Ciglenecki ergänzt wurden, gelang in beiden Werken eine bewundernswürdige Leistung an Virtuosität, Genauigkeit, Zusammenspiel und Gestaltungskraft. Dem Schluss folgte verdientermaßen donnernder Applaus.