Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die bedrohte Pracht
Jahreszeiten Im Sommer schwirren Glühwürmchen durch die Nacht. Doch die Tiere sind gefährdet, Nahrung und Lebensraum werden knapper. Für Gärtner sind sie nützlich: Sie fressen Schnecken
Landkreis Augsburg Etwas Matschiges klebt am Handrücken, eine Dornenranke verhakt sich am Schienbein. Beim Herumstreifen am Waldrand lässt sich in der Dunkelheit so gut wie nichts erkennen. Etwas raschelt im Gebüsch. Ein Wildschwein? Ein Fuchs? Und dann passiert es: Die Landschaft verwandelt sich in einen Märchenwald. Als hätte man eine Lichterkette angeknipst, leuchten überall zwischen den Bäumen kleine Lichtpünktchen auf. Die Glühwürmchen sind da.
Die Insekten strahlen eine besondere Faszination aus, sagt Eberhard Pfeuffer vom naturwissenschaftlichen Verein Schwaben. „Es ist wie im Traum, das muss man erlebt haben.“Ende Juni bis Anfang Juli ist die beste Zeit, um das Schauspiel zu beobachten. Dann ist Paarungszeit und die Männchen leuchten auf der Balz, um die Weibchen anzulocken. „Ab elf Uhr abends kann man sich auf die Suche machen“, sagt Biologin Susanne Hippeli aus Zusmarshausen. „Dann ist genügend Zeit, um die Insekten zu beobachten.“Denn um Mitternacht knipsen die Käfer ihre Leuchten aus, dann ist ihre Energie verbraucht.
Um den Glühwürmchen nachzuspüren, sucht man im Augsburger Land am besten an Wald-, Wiesenund Wegrändern, sagt Hippeli. Es sollte nicht alles zugewachsen sein, denn die leuchtenden Männchen brauchen genug Platz zum Fliegen, um von den Weibchen am Boden gesehen zu werden. Am liebsten haben es die Insekten schwülwarm, sagt Klaus Kuhn vom naturwissenschaftlichen Verein Schwaben: „Und die beste Chance hat man in Auwäldern. Das sind Waldstücke an Flüssen oder Bächen.“„Am besten auf den Wegen bleiben“, sagt sein Kollege Eberhard Pfeuffer, von dort habe man den besten Blick und störe keine anderen Tiere.
Im Landkreis empfehlen die drei Experten folgende Beobachtungsplätze: die Lech- und Wertachauen, die Westlichen Wälder bei Zusmarshausen und kleine Wäldchen entlang der Schmutter und der Neufnach. Denn überall dort lebt die Nahrungsquelle der Glühwürmchen: die Schnecken.
Das Flühwürmchen verfolgt Schleimspuren und überwältigt die Kriechtiere mit nur einem Giftbiss. Es dauert ungefähr 30 Stunden, bis eine Larve eine ganze Schnecke ver- speist hat. Nach drei Jahren verpuppt sich die Larve und schlüpft nach zehn Tagen zwischen Juni und Juli als Käfer. „Ihre einzige Aufgabe ist es, einen Partner zu finden“, sagt Susanne Hippeli. Die Männchen fliegen über den Boden, die Weibchen warten unten und blinken zurück. „Unmittelbar nach der Paarung sterben die Männchen, die Weibchen schaffen es noch bis zur Eiablage. Dann sterben auch sie.“
Wissenschaftler sind von der Biolumineszenz, dem chemischen Leuchtvorgang an der Körperunterseite der Käfer, fasziniert. „Das Licht ist kalt, sie erzeugen fast keine Wärme als Nebenprodukt. Glühwürmchen zu erforschen und zu beobachten, könnte in den nächsten Jahren schwieriger werden. „Sie stehen zwar nicht auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten, doch der Bestand nimmt vermutlich ab“, sagt Hippeli. Denn an vielen Stellen im Landkreis werden Nahrung und Lebensraum immer knapper.
Bei Schneckenplagen auf den Beeten streuten Gärtner vermehrt Gift aus, sagt Hippeli. „Aber klar ist: keine Schnecken, keine Glühwürmchen.“Problematisch sei auch, wenn an Wäldern und Wiesen Pestizide versprüht werden. Dann könnten die Weibchen sterben und auch keine Eier mehr legen. Eine Rolle spiele auch Lichtverschmutzung. Denn die Glühwürmchen brauchen Dunkelheit, um sich für die Paarung überhaupt zu finden.