Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Trinkwasser
Abkoch-Anordnung teilweise aufgehoben
Dinkelscherben Wer Wasser der Oberschöneberger Gruppe bezieht, muss nicht mehr abkochen: Gestern Vormittag hob das Gesundheitsamt die Anordnung auf. Das soll voraussichtlich in dieser Woche auch bei der Dinkelscherber Gruppe der Fall sein. Gechlort wird trotzdem – in beide Versorgungsnetze wird eine Natriumhypochloritlösung eingespeist. Wie lange noch, das ist unklar. Dinkelscherbens Bürgermeister würde am liebsten sofort damit aufhören – um Geld zu sparen.
Drei Tropfen einer Lösung aus einem blauen Fläschen, dann zwei Tropfen aus einem weißen Fläschen – und in wenigen Sekunden verfärbt sich die Wasserprobe in Zartrosa. „Je mehr Chlor, desto dunkler“, erklärt Thomas Wagner. Er untersucht für einen Dienstleister an 15 Stellen das Leitungswasser der Oberschöneberger Gruppe, zu der die Dinkelscherber Ortsteile Oberschöneberg, Stadel, Reischenau, Siefenwang, Saulach, Ried, Kühbach, Breitenbronn, Holzara, Anried, Engersthofen, Ettelried, Osterkühbach und Schönebach gehören. Sein Kollege misst an 14 Stellen die Chlorwerte der Dinkelscherber Gruppe (Dinkelscherben, Häder, Neuhäder, Lindach, Schempach, Au, Elmischwang, Fleinhausen, Boschhorn).
Pro Woche fallen laut Kalb für die Messungen an insgesamt 29 Stellen fast 10000 Euro an Kosten an. Die werden dann über die Wassergebühren finanziert. Um Geld zu sparen, sucht die Marktgemeinde jetzt Freiwillige, die auf 450 Euro-Basis die Messstellen betreuen. Das müssen sie tun: Sie müssen zuverlässig dreimal am Tag Chlormessungen durchführen. Messstellen sind in der Regel Hydranten. Mit einem Messgerät wird dort die Konzentration geprüft. Die nötigen Handgriffe seien leicht erlernbar, teilt Bürgermeister Edgar Kalb mit. Fünf Interessenten hätten sich bereits gemeldet.
Gleichzeitig beantragt Kalb jetzt beim Gesundheitsamt, die Mess- zu reduzieren. Außerdem soll nur noch eine Messung pro Tag vorgenommen werden – nämlich am Morgen. In einem Schreiben an die Behörde heißt es: „Ich sehe täglich die Chlorungsberichte an und frage mich von Tag zu Tag mehr: Warum dreimal am Tag und siebenstellen mal in der Woche an 29 Messpunkten?“Am Morgen ergebe sich in der Regel eine niedrigere Konzentration, am Abend eine etwas höhere, was mit dem Wasserverbrauch zusammenhänge. Kalb: „Aus den Mittagsmessungen kann ich keine zusätzlichen Erkenntnisse gewinnen.“
Dass an verschiedenen Stellen die Leitungen gespült werden, also Tag und Nacht das Wasser läuft, hält Kalb für einen „ökologischen Irrsinn“. Der Wasserverbrauch summiere sich alle drei Tage auf die Menge, die das Dinkelscherber Waldfreibad fasst. Mit der Spülung will das Gesundheitsamt eine Chlorkonzentration von 0,1 bis 0,3 Milligramm pro Liter im gesamten Leitungsnetz erreichen.
Bei einzelnen Proben waren vor einigen Wochen koliforme Keime gefunden worden. Sie können bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem, Senioren und Kleinkindern Durchfallerkrankungen auslösen. Gelangt das Wasser in offene Wunden, kann es Infektionen geben. Die Behörde kritisiert auch Verbindungen vom Nichttrinkwasserzum Trinkwassersystem, eine hohe Zahl von Totleitungen im Untergrund sowie eine fehlende Risikoanalyse.
Die Marktgemeinde Dinkelscherben hält die Chlorung des Trinkwassers für überzogen. Deswegen klagt sie vor dem Verwaltungsgericht. Dinkelscherben verweist auf eigene Proben, bei denen keine Keime gefunden wurden.