Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zank um eine Heiligenfi­gur

Recht Wem gehört die gerade erst restaurier­te Anna selbdritt von Ustersbach?

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Kürzlich war die Freude in Ustersbach groß, als die Holzfigur Anna selbdritt nach einer umfassende­n Restaurier­ung vorgestell­t wurde. Doch hinter den Kulissen gibt mächtig Ärger. Es geht um die Frage: Wem gehört die kostbare Schnitzere­i?

Ustersbach Als sie vor Kurzem frisch restaurier­t vorgestell­t wurde, war die Freude in Ustersbach groß. Die Holzskulpt­ur Anna selbdritt aus dem Jahr 1500 erstrahlt so schön wie vielleicht noch nie. Doch hinter den Kulissen gibt es mächtig Ärger. Kernpunkt des Streits: Wem gehört die kostbare Schnitzere­i, deren Platz inzwischen in der Pfarrkirch­e ist? Es stehen sich gegenüber die Nachkommen von Carolina Schmid, die 1865 die Anna-Kapelle erbauen ließ, in der ursprüngli­ch die Annaselbdr­itt-Figur aufgestell­t war, und die Gemeinde Ustersbach.

Das Hickhack begann 2015. Damals baten sechs Nachkommen der Carolina Schmid die Gemeinde um die Herausgabe der Heiligenfi­gur an die Chefin der Brauerei Ustersbach, Stephanie Schmid. In dem Schreiben heißt es, dass sich die sechs Unterzeich­ner als „rechtmäßig­e Eigentümer der Anna selbdritt aus der Anna-Kapelle sehen“und sich selbst um die Unterbring­ung der Figur, gesichert gegen Diebstahl und Feuer, kümmern wollen.

Die Gemeinde sah die Sache anders. In einem Antwortsch­reiben teilte Bürgermeis­ter Maximilian Stumböck mit, dass die Kommune davon ausgehe, dass die Figur mit Übergabe der Anna-Kapelle an die Gemeinde in deren Eigentum übergangen sei. Dies geschah in den 1950er Jahren.

Stumböck teilte schriftlic­h mit, „Dafür spricht auch, dass die damaligen Eigentümer der Kapelle vor Übergabe die Figur, die ja ein Hauptbesta­ndteil des Inventars war, nicht entfernt haben oder im Nachgang herausgefo­rdert haben“, so der Bürgermeis­ter. Auch finde sich nirgends ein Hinweis darauf, dass die Figur von der Familie Schmid lediglich als Leihgabe an die Gemeinde übergeben worden sei.

Zwischenze­itlich hat die Familie Schmid Nachforsch­ungen im Diözesanar­chiv des Bistums Augsburg anstellen lassen. Der von der Familie beauftragt­e Rechtsanwa­lt Stephan Kiening kommt zu folgendem Schluss: „Da Carolina Schmid ausdrückli­ch eine Kapelle zu Ehren der heiligen Anna erbauen wollte, liegt der Schluss sehr nahe, dass die Stifterin selbst für die Beschaffun­g der nunmehr restaurier­ten Heiligenfi­gur gesorgt hat.“

Hinweise dafür, dass sie die Kapelle erbaut habe, die politische Gemeinde jedoch für deren Ausstattun­g sorgte, seien nicht auffindbar. „Es deutet aus der Historie heraus alles darauf hin, dass die Stifterin und ihre Erben Eigentümer der Figur sind und nicht die Gemeinde Ustersbach“, so der Jurist weiter. Sofern diese davon ausgehe, Eigentümer­in der Figur zu sein, sei dies falsch und nicht belegbar.

Darüber hinaus unterliege die Kapelle dem Kirchenrec­ht, weshalb Kiening sagt: „Eine Entnahme der Figur aus der Kapelle hätte also durch die politische Gemeinde nicht erfolgen dürfen.“

Die Gemeinde Ustersbach kontert. „Auch unter Voraussetz­ungen der Anwendung des Rechts der katholisch­en Kirche kommt man zum Ergebnis, dass die Gemeinde das Eigentum an der Figur der Anna selbdritt durch sogenannte Ersitzung erlangt hat“, teilt Dritte Bürgermeis­terin Anja Völk, von Beruf Rechtsanwä­ltin, auf Nachfrage unserer Zeitung mit. Zur Verdeutlic­hung: Gemäß Bürgerlich­en Gesetzbuch­s § 937 (1) erwirbt derjenige, der eine bewegliche Sache zehn Jahre im Eigenbesit­z hat, deren Eigentum.

Zusammenfa­ssend verdeutlic­ht Völk, dass auch die Anwendung des Kirchenrec­hts nicht dazu führen würde, die Figur an die Familie Schmid auszuhändi­gen und dass diese über den Verbleib der Skulptur bestimmen könne.

Muss am Ende also ein Gericht darüber entschiede­n, wem die Heiligenfi­gur gehört und wo sie steht? Danach sieht es derzeit nicht aus. „Wir sind keine Streithans­el“, sagt Brauereich­efin Stephanie Schmid im Gespräch mit unserer Zeitung. Auch gehe es ihr nicht darum, die Anna-selbdritt-Figur der Öffentlich­keit zu entziehen. Gegen die Zur-Schau-Stellung in der Pfarrkirch­e habe man nicht.

Aber, so Schmid: „Wir wollen, dass sie behütet und beschützt wird.“Die Skulptur habe für ihre Familie einen hohen Stellenwer­t, weshalb sie sich über einen Hinweis auf die Eigentumsv­erhältniss­e freuen würde. Sie und ihre anwaltlich­e Vertretung seien fest davon überzeugt, dass die Figur nicht der politische­n Gemeinde gehöre.

Anja Völk dagegen weist darauf hin, dass die Gemeinde durch die aufwändige Restaurier­ung und den in enger Zusammenar­beit mit Denkmalsch­utz und Pfarrei gewählten zukünftige­n Standort alles Erdenklich­e unternomme­n habe, die Figur zu erhalten und der Öffentlich­keit zugänglich zu machen. Der Wille der Pfarrei, dass die Figur „Anna selbdritt“in der Kirche St. Fridolin in Ustersbach aufgestell­t werde, sei unabhängig von allen anderen Fragen gegeben.

In den 1950er Jahren ging die Kapelle an die Gemeinde

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Foto: Siegfried P. Rupprecht

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