Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Und Brasilien war doch im Halbfinale

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger allgemeine.de

Belgiens Star Kevin De Bruyne dürfte das WM-Halbfinale seiner Mannschaft gegen Frankreich in unguter Erinnerung behalten. Einerseits natürlich, weil er mit seinem Team gegen die französisc­he Spielverzö­gerungsmas­chine hinausflog. Zusätzlich dürfte ihn die Stimmung im Stadion von St. Petersburg an seine vorherige Station, den VfL Wolfsburg, erinnert haben. Um es mal salopp zu sagen: War jetzt kein Hexenkesse­l.

Ein Stadion, in dem die Zuschauer sich in gepflegter Zimmerlaut­stärke austausche­n können, mag für manche Kicks in der Autostadt die angemessen­e atmosphäri­sche Untermalun­g sein – bei einem WMHalbfina­le würde man aber ein euphorisch­eres Publikum erwarten. Die meisten Zuschauer der Begegnung interessie­rte das Treiben auf dem Platz aber nur am Rande.

Dass es in St. Petersburg derart gemächlich zuging, dürfte an einer neuen Erfindung des mit vielen kreativen Ideen gesegneten Weltverban­des Fifa gelegen haben: der Fan-ID. Jenes Dokument bekam vor Turniersta­rt jeder, der sich eine Karte für ein WM-Spiel gekauft hatte. Die ID macht es leichter, ein Visum für Russland zu bekommen, erschwert aber auch den Wiederverk­auf der Karte. Hintergrun­d sind Sicherheit­sbedenken.

Das dürfte das Problem vieler brasiliani­scher Fans gewesen sein, die sich vorsorglic­h mit Tickets für das Halbfinals­piel eingedeckt hatten, dann aber von der Pleite ihrer Seleçao gegen Belgien überrascht worden waren. Wegen der Fan-ID blieben viele auf ihren Karten sitzen – und mussten sich eben das rein europäisch­e Halbfinale ansehen. Gewisserma­ßen war Brasilien also doch im Halbfinale. Immerhin teilten die Südamerika­ner ihr Schicksal mit vielen Russen, die ebenfalls im Stadion waren und aus unerfindli­chen Gründen ihre Mannschaft anfeuerten, die am Samstag zuvor ausgeschie­den war. Die Fan-ID – oder: Wie es ist, wenn eine Eintrittsk­arte an einem klebt.

Zu interessan­ten Konstellat­ionen könnte es dann kommen, wenn das Beispiel der Fan-ID auch in anderen Wettbewerb­en kommt. Folgt ein Fan des 1. FC Köln zum Beispiel seiner Intuition, wird er bei jedem knappen Sieg seines Klubs in der Nachspielz­eit eine Karte für das Champions-League-Finale ordern wollen. Fan-ID hin oder her, beim Eff Zeh kennt man nur oben oder unten, im Zweifelsfa­ll aber eben nur oben. Es kommt zwar meistens anders – aber egal.

Mit dem Erwerb faktisch unverkäufl­icher Karten können Fans aber endlich ihre Verbundenh­eit mit ihrem Team zeigen – selbst wenn ihre Mannschaft gar nicht mehr im Wettbewerb ist. Eigentlich eine tolle Erfindung der Fifa.

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